Kundus-Affäre: Guttenberg und Oberst Klein unter Druck
Die Opposition sieht Minister Guttenberg nach der Anhörung zweier Ex-Mitarbeiter vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss schwer belastet. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Oberst Klein.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) steht nach der Aussage zweier von ihm entlassener Spitzenleute im Kundus-Untersuchungsausschuss unter Druck. Nach einer ausführlichen Befragung des früheren Bundeswehr-Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan und von Ex-Staatssekretär Peter Wichert wertete die Opposition deren Aussagen als schwere Belastung für den Minister. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte der "Berliner Zeitung" (Freitag): "Wenn Guttenberg im Zusammenhang mit einer zentralen Führungsentscheidung gelogen haben sollte, ist er als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar."

"Das ist milde gesagt mysteriös"

Nach der Sitzung hatte der Linken-Politiker Jan van Aken Guttenberg vorgeworfen, gelogen zu haben. Der Minister habe behauptet, ihm seien Informationen vorenthalten worden, obwohl ihm auf Verlangen alle Berichte zur Verfügung gestellt worden seien. Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold kritisierte vor allem die Art und Weise, wie die beiden Spitzenleute innerhalb von kurzer Zeit aus ihren Ämtern gedrängt wurden. Auch der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour sagte, Guttenberg sei "sehr belastet" worden. Das betreffe sowohl die Umstände der Entlassung als auch die militärische Einschätzung der verheerenden Bombardements von Kundus. Dabei habe Guttenberg "mit seinen beiden engsten, wichtigsten Beratern nicht gesprochen", sagte Nouripour. "Das ist milde gesagt mysteriös."

Schneiderhan hatte am Donnerstag Vorwürfe zurückgewiesen, er hätte den Verteidigungsminister nicht ausreichend über den Luftschlag vor rund einem halben Jahr informiert. Es bleibt unklar, warum Guttenberg den Angriff zunächst als militärisch angemessen beurteilte. Der CSU- Politiker soll am 22. April und damit kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor dem Ausschuss aussagen. Bei dem Luftschlag bei Kundus waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Nach Papieren, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegen, wurde nach dem Angriff im vergangenen September von Verteidigungs-Staatssekretär Wichert eine "Gruppe 85" gebildet, die auf die Untersuchung durch die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) reagieren sollte. In den Papieren heißt es: "Grundsätzliche Zielrichtung könnte sein: Positives Bild auch des Erfolges mit möglichen Verfahrensfehlern." Wichert wies den Vorwurf der Vertuschung in der Kundus-Affäre zurück. "Das ist blanker Unfug", sagte er im Ausschuss.

Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Oberst Klein

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht der "Stuttgarter Zeitung". Bei dem von Klein befohlenen Luftangriff am 4. September 2009 nahe der nordafghanischen Stadt Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter auch Zivilisten.

Das Ermittlungsverfahren ist der Behörde zufolge unter anderem deswegen unabdingbar, weil die Informationsmöglichkeiten über das tatsächliche Geschehen vom 4. September 2009, die es im Rahmen eines Prüfvorganges gibt, ausgeschöpft sind. Nur ein Ermittlungsverfahren biete die Möglichkeit, Zeugenvernehmungen durchzuführen sowie den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Zu Einzelheiten der Untersuchung will sich die Bundesanwaltschaft erst nach Abschluss ihrer Prüfung äußern. Der Luftangriff wird derzeit auch von einem Untersuchungsausschuss des Bundestages überprüft.

Verdacht auf Kriegsverbrechen

Der Zeitung zufolge ermittelt die Behörde konkret wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen. Demnach sollen die beiden Beschuldigten zur Vernehmung in der kommenden Woche vorgeladen worden sein. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft wollte derartige "Spekulationen" nicht kommentieren.

Die Bundesanwaltschaft ist zuständig, weil sie nach eingehender Prüfung der Auffassung ist, dass es sich bei den Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan "um einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches handelt".

dpa