"Bloch: Verfolgt", 17. März, 20.15 Uhr im Ersten
Es beginnt ganz harmlos. In einem Restaurant weigert sich eine Frau, einen Tisch freizugeben, den jemand anders reserviert hat. Der Gast, der unverrichteter Dinge mit seiner Lebensgefährtin von dannen zieht, ist Maximilian Bloch. Er kann in diesem Moment noch nicht ahnen, dass ihn die Frau zum Opfer erkoren hat. Sie wird an ihm kleben wie Kaugummi an der Schuhsohle. Sie wird in sein Haus eindringen und seine Freundin verängstigen, sie wird den Psychiater emotional erpressen und sich selbst Gewalt antun. Sie ist eine Stalkerin.
Wer ist Opfer und wer Täter?
Man muss den Begriff nicht kennen, um das Phänomen zu verstehen. Die meisten Menschen halten es für ein Schicksal, das vor allem Prominenten widerfährt, als Kehrseite des Ruhms gewissermaßen: weil einige Fans mehr wollen, als bloß einen flüchtigen Blick auf ihre Idole zu erhaschen. In solchen Fällen ist die Konstellation klar: Es steht außer Frage, wer Opfer und wer Täter ist. Die Reihe "Bloch" aber funktioniert anders. Schon die Begrifflichkeit ist dem Therapeuten fremd. Für ihn sind Täter immer Opfer. Dass die Filme stets auch eine kriminalistische Ebene haben, ist der Suche nach den Ursachen der jeweiligen Erkrankung geschuldet.
Fernsehfilm mit teilnahmsvoller Distanz
Natürlich funktioniert die Konstellation nur, wenn man diese Haltung Blochs nachempfinden kann; deshalb ist die Besetzung der Antagonisten stets von großer Bedeutung. Außerdem muss es jemand sein, der sich gegen Dieter Pfaffs überlebensgroße physische Präsenz behaupten kann. Kinoregisseur Jan Schütte ("Drachenfutter"), der seinen ersten Fernsehfilm mit teilnahmsvoller Distanz inszeniert, hat sich für Victoria Trauttmansdorff entschieden, die ihre Rollen gern mit einer Mischung aus Fragilität und Willensstärke versieht. Immer wieder gelingt ihr dabei die Gratwanderung, eine eigentlich negative Figur dennoch anrührend zu verkörpern (bestes Beispiel: die gewalttätige Ehefrau in dem Familiendrama "Gegenüber"). Dank Schüttes Führung bilden die beiden ein äußerst reizvolles Paar: hier der gewaltige, in der Regel in sich ruhende Analytiker, dort die Frau, der es mit gezielten Stichen und hoher Impertinenz immer wieder gelingt, den Giganten zu erschüttern.
Stalking wie aus dem Lehrbuch
Der Rest ist Stalking wie aus dem Lehrbuch (Drehbuch: Martin Douven). Bibliothekarin Svenja Schneider lässt sich von Bloch nicht abwimmeln und beginnt, den Psychiater und seine Freundin Clara (Ulrike Krumbiegel) zu terrorisieren: Sie erscheint ungebeten auf seinem Geburtstagsfest, ruft sogar, da sie Bloch nicht erreicht, auf Claras mobilem Telefon an und lässt die beiden schließlich via Webcam an ihrem Suizidversuch teilhaben. Weil sie immer wieder vom frühen Tod ihrer Mutter erzählt, die mal an Krebs, mal bei einer Gasexplosion gestorben ist, ahnt Bloch, dass ein Kindheitserlebnis die Frau aus der Bahn geworfen hat. Eine Reise in die Vergangenheit ist die einzige Möglichkeit, die Patientin aus ihrem Teufelskreis zu befreien.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).