Arznei-Sparpaket: Kassen mahnen Regierung zur Eile
Die Krankenkassen haben zu einer schnellen Umsetzung des Arzneimittel-Sparpakets von Minister Philipp Rösler (FDP) aufgerufen. Industrie und Ärzte plädieren für eine Mehrwertsteuersenkung.

Die Krankenkassen dringen auf eine schnelle Umsetzung des Arzneimittel-Sparpakets von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). "Bis zur Sommerpause muss das im Gesetzblatt stehen, damit die Wirkung für die Kassenfinanzen auch eintritt", sagte die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Doris Pfeiffer, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Das Einsparpotenzial für 2010 liege dann bei etwa 650 Millionen Euro. Industrie und Ärzte wollen eine Mehrwertsteuersenkung für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent.

"Schritt in die richtige Richtung"

Pfeiffer sagte, angesichts des drohenden Milliarden-Defizits in der gesetzlichen Krankenversicherung seien das von Rösler ins Gespräch gebrachte Preismoratorium und eine Erhöhung des Zwangsrabatts von 6 auf 16 Prozent überfällig. Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) begrüßte Röslers Pläne in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") als "Schritt in die richtige Richtung". Er forderte ebenfalls "ein sofortiges Preismoratorium". Rösler peilt dies "so schnell wie möglich" an, hat sich aber zeitlich noch nicht festgelegt. Die Arznei-Ausgaben der Kassen steigen seit Jahren und lagen zuletzt bei 30 Milliarden Euro.

Der Chef der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK), Herbert Rebscher, plädierte in einem dpa-Gespräch dafür, die Mehrwertsteuer für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent zu senken. Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bekräftigte diese Forderung. Deutschland sei eines der letzten Länder in der Europäischen Union (EU), das noch den vollen Mehrwertsteuersatz für Medikamente erhebe, sagte der Verbandsvorsitzende Bernd Wegener der "Rheinpfalz am Sonntag". Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg- Dietrich Hoppe, empfahl in den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Samstag) ebenfalls eine solche Steuerreduzierung.

"Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin"

Pharma-Verbandschef Wegener verlangte anders als Rösler eine selbstregulierende Balance zwischen Ausgaben und Innovationen im patentgeschützten Markt. Von den jährlich knapp 30 Milliarden Euro für die Versorgung mit Arzneimitteln entfielen nur 60 Prozent auf die Hersteller. Der Rest gehe an Apotheken und Großhandel sowie in die Taschen des Staates. Hoppe bezeichnete das Gesundheitssystem als im internationalen Vergleich chronisch unterfinanziert.

DAK-Chef Rebscher sagte, weil Einzelmaßnahmen zur Kostendämpfung im Arznei-Sektor in der Vergangenheit wenig erfolgreich gewesen seien, sei jetzt eine grundlegende Neuordnung notwendig. "Das sollte bis zum Jahresende machbar sein, sofern der Minister gegenüber der Pharmaindustrie konfliktbereit ist und sich konsequent für die Interessen der Patienten einsetzt."

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warf Rösler vor, aus seinem Eckpunktepapier spreche "die Diktion der Pharmaindustrie". Er verwies im Magazin "Der Spiegel" auf Röslers Vorschlag, dass die Kassen einzeln mit den Pharma-Unternehmen Verträge aushandeln sollen. Söder hält Verhandlungen einzelner Kassen über Medikamentenpreise ebenfalls nicht für sinnvoll, weil es dann Unterschiede im Leistungsspektrum geben könne. "Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin", sagte er der "FAS".

dpa