Pakistan bekommt Terror nicht in den Griff
Zwei Selbstmordattentäter haben am Freitag in der ostpakistanischen Millionenmetropole Lahore mindestens 48 Menschen mit in den Tod gerissen. Hinter der Tat werden Taliban vermutet.

Binnen weniger Sekunden sprengten sich die beiden Attentäter in dem belebten Garnisonsviertel in der ostpakistanischen Millionenmetropole Lahore in die Luft. Ihr Ziel: ein Militärkonvoi. Dutzende Menschen starben bei dem Doppelanschlag am Freitag, die meisten davon Zivilisten. Während die Welt mit wachsender Sorge vor allem auf das benachbarte Afghanistan blickt, versinkt Pakistan immer tiefer im Sumpf der Gewalt. Die Regierung der Atommacht bekommt die radikal-islamischen Terroristen nicht in den Griff - deren Erstarken sie lange fast tatenlos zusah.

Während die Gewalt nach dem US-geführten Einmarsch in Afghanistan vor allem im westpakistanischen Grenzgebiet eskalierte, galt die Kulturmetropole Lahore unweit der indischen Grenze noch lange Jahre als relativ sicher. Doch mit der Ruhe ist es seit einiger Zeit auch in der Hauptstadt der Provinz Punjab vorbei - der Anschlag vom Freitag, zu dem sich die pakistanischen Taliban bekannten, war der schwerste jemals in Lahore. Ende vergangenen Jahres wurden 30 Menschen getötet, als zwei Bomben fast zeitgleich in einer belebten Einkaufspassage in der Stadt explodierten. Erst am vergangenen Montag starben bei einem Selbstmordanschlag auf ein Büro von Terrorfahndern der Polizei Punjabs in Lahore 15 Menschen.

Minister spricht von "Zeichen der Schwäche"

Innenminister Rehman Malik wertete den Anschlag vom Montag als Zeichen der Schwäche der Aufständischen, die "keine Chance" gegen die Sicherheitskräfte hätten. Nicht nur die Bluttat vom Freitag lässt Zweifel an Maliks Deutung aufkommen. Im vergangenen Jahr kam es regelmäßig zu Anschlägen mit Dutzenden Toten, im Oktober starben in Peshawar nahe der afghanischen Grenze sogar mehr als 100 Menschen. Viele Anschläge der Extremisten in Pakistan fordern einen höheren Blutzoll als die ihrer Glaubensbrüder in Afghanistan. Und ein Nachlassen der Gewalt in Pakistan ist mitnichten in Sicht.

Zweifel gibt es auch an der Ernsthaftigkeit des Anti-Terror-Kampfes der pakistanischen Sicherheitskräfte - besonders dann, wenn sich die Zerstörungswut der Extremisten aus Pakistan heraus auf Ziele in Afghanistan oder Indien richtet. Zwar fassten pakistanische und amerikanische Geheimdienstler im vergangenen Monat in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi den Vizechef der afghanischen Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar. Der Mullah-Omar-Stellvertreter hatte allerdings zuvor jahrelang unbehelligt in Pakistan gelebt - wie zahlreiche andere Anführer der afghanischen Taliban auch.

Ein Land als Nährboden

Mehrere weitere Festnahmen afghanischer Taliban-Anführer wurden zwar offiziell nicht bestätigt, doch die Spitze der afghanischen Aufständischen scheinen in ihrem Exil unter Druck zu geraten. Dennoch operieren vom pakistanischen Boden aus immer noch Terrorgruppen wie das Hakkani-Netzwerk, das Ziele in Afghanistan angreift und enge Beziehungen zum Terrornetz El Kaida pflegen soll. Jene pakistanischen Extremisten, die Indien für die Drahtzieher der Terrorserie von Mumbai im November 2008 hält, sind in ihrer Heimat nie zur Rechenschaft gezogen worden. Auch für Angriffe auf indische Ziele in Afghanistan - wie etwa die Botschaft des Landes in Kabul - machten Afghanen und Inder Hintermänner in Pakistan verantwortlich.

Tatsächlich bekämpfte auch die pakistanische Armee die pakistanischen Taliban bestenfalls halbherzig, bis ihr das Problem vollends über den Kopf zu wachsen drohte. Als die Taliban ihren Einfluss auf immer mehr Distrikte außerhalb der von ihnen ohnehin weitgehend kontrollierten Stammesgebiete ausdehnten, zogen die Streitkräfte vor rund einem Jahr die Notbremse.

Blutige Militäroffensiven drängten die Extremisten seitdem zwar zurück, doch von einem absehbaren Sieg kann keine Rede sein. Und obwohl die Aufständischen Soldaten töten und in den Städten bomben, lassen pakistanische Offiziere kaum einen Zweifel daran, wen sie für die größere Bedrohung halten: Nicht etwa die Taliban, sondern den alten Erzfeind Indien.

dpa