Meine Woche vom 8. bis 12. März
Montag
Stell dir vor, es ist Weltfrauentag und keine merkt's. Vielleicht könnte man ihn doch allmählich abschaffen, da hat Alice Schwarzer schon recht. Wenn ich nicht die taz am Kiosk gesehen hätte, hätte ich es dieses Jahr auch vergessen. Ich bin diese Woche ohne Pendelei ganz in Frankfurt und bringe am frühen Morgen unseren Sekretärinnen eine Rose mit. "Wenn's eine Nelke wär, hätt ich sie Ihnen zurückgegeben", sagt die sächsische Kollegin. Nelken gabs früher im Osten, Zwangsbeglückung. Uff, da hab ich aber Schwein gehabt, Rosen gehen immer. Und vielleicht suche ich mir für die nächste Rose einen anderen Gedenktag aus. Den für Artenvielfalt?
Dienstag
Schreck am frühen Morgen. An der Pforte unseres Gemeinschaftswerkes der evangelischen Publizistik brennt eine Kerze. Und statt des allzeit fröhlichen Kollegen, der sonst um diese Zeit die Pakete auspackt, steht sein Foto am Eingang, daneben fassungslose Kollegen. Er ist am Vorabend am Arbeitsplatz gestorben. Der Dienstag wird ein Beweis dafür, dass man auch den Betriebsablauf in einem Medienhaus stören kann. Man kann ihn sogar anhalten. Knapp 150 Menschen versammeln sich um 11 Uhr zu einer Andacht in der Kantine, auch die ganz schnellen Nachrichtenleute und die vom Online-Portal. Sieh an, es geht, man kann auch die ganz schnellen Züge, die Presseagentur epd in unserem Haus, für einen Moment bremsen. Und wie wäre das jetzt wohl in unseren schnell getakteten Nachbarbetrieben, auf die wir von unseren Frankfurter Bürofenstern aus gucken. Bei KPMG, bei Price Waterhouse? Wenn da ein Kollege tot umfällt? Alle hier im evangelischen Betrieb, ob fromm oder nicht, sind froh, dass wir gute, tröstliche und ritensichere Pfarrer im Haus haben.
Mittwoch
Der Schrecken sitzt allen in den Knochen, und man sagt diese banalen Sätze, die man immer sagt, wenn einer gestorben ist. Dass einem so vieles andere jetzt ziemlich klein und unwichtig vorkommt, und ob wir uns jetzt wirklich drüber unterhalten wollen, welche Fragen wir emnid diese Woche stellen. Ja, klar, wollen wir, das Leben geht weiter. Und das mit dem Wichtigen und dem Inwichtigen könnten wir uns auch mal so fragen, ganz ohne Todesfall.
Freitag
Ganz Unwichtigem muss die Pendlerin sich trotzdem bei einem Todesfall stellen: Was ziehe ich heute zur Beerdigung an und warum habe ich ausgerechnet diese Woche nur knatschbunte Sachen im Koffer? Sonst immer gerne fünf verschiedene Schwarztöne. Aber heute? Es gehört zu den rührenden Details an diesem Tag, dass mir ausgerechnet die zierlichste der Kolleginnen ihren Mantel anbietet, und es hat wirklich was vom Heiligen St. Martin. Ich trage Größe 40-42. Aber nett ist es trotzdem. Und es ist auch ganz egal, was ich an habe, es geht ja nicht um mich. Der Betriebsablauf wird heute noch mal angehalten, zur Trauerfeier. Und nächste Woche ist eine neue Woche, einer wird dabei fehlen. Schönes Wochenende!
Über die Autorin:
Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de
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