"Tatort: Absturz", 14. März, 20.15 im Ersten
Selbst im Fernsehen ist die Mordkommission bei Unfällen nicht zuständig. In diesem Fall aber liegen die Dinge anders, denn Hauptkommissarin Eva Saalfeld ist betroffen, und das in des Wortes doppelter Bedeutung: Weil sie verschlafen hat, kommt sie mit ihrem kleinen Neffen Lukas zu spät zu einer Flugschau. Zum Glück: Ein Pilot hat die Gewalt über seine Maschine verloren und ist in eine Hüpfburg gerast. Fast alle Kinder konnten sich retten, aber für Emil, Lukas’ besten Freund, kommt jede Hilfe zu spät.
Dichte Handlung, dramatsiche Musik
Torsten C. Fischer, der mit "Romy" einen der außergewöhnlichsten Fernsehfilme des letzten Jahres gedreht hat, gestaltet die ersten Szenen dieses "Tatort"-Krimis aus Leipzig wie einen Katastrophenfilm: Die Handlung wird immer dichter und spitzt sich auch dank einer entsprechend dramatischen Musik (Fabian Römer) mehr und mehr zu. Die Klimax aber bleiben Fischer und sein Kameramann Peter Nix schuldig; sei es, um die Nerven der Zuschauer zu schonen, sei es, weil die entsprechende Inszenierung vermutlich zu teuer gewesen wäre. Mit dem Wechsel der Erzählebene zur Perspektive Eva Saalfelds, der schreiende Menschen in Panik entgegenkommen, ändert sich auch die Erzählweise.
Mit Jan Henrik Stahlberg und Bruno F. Apitz
Fortan gehört der Film Simone Thomalla und Matthias Brandt. Er spielt den Vater des Jungen, der kurz drauf im Rettungswagen stirbt. Das gemeinsame Warten auf den Notarzt schweißt die beiden zusammen, wenn auch nicht in romantischer Hinsicht; Christian Peintner ist ohnehin untröstlich. Natürlich sinnt er auf Rache und wird schon im Krankenhaus gegen den Unglückspiloten (Jan Henrik Stahlberg) handgreiflich. Der aber weist derart überzeugend alle Schuld von sich, weil das Flugzeug nachweislich schlecht gewartet war, dass Saalfeld und ihr Kollege Keppler (Martin Wuttke) die Ermittlungen auf den Veranstalter der Flugschau (Bruno F. Apitz) konzentrieren. Als der Mann kurz darauf ermordet auf einer Großbaustelle gefunden wird, wo er beinahe für immer unter Beton verschwunden wäre, kommt es zum Krach zwischen Saalfeld und Keppler: Für sie ist völlig klar, dass Peintner nicht der Täter sein kann. Dabei ist er der Architekt des entsprechenden Bauabschnitts; und dann tauchen auch noch belastende Indizien auf.
Zurückhaltend inszenierter Film
Auf den ersten Blick mag der Titel ("Absturz") nicht korrekt erscheinen; das Flugzeug hat gar nicht abgehoben und konnte folglich auch nicht abstürzen. Bezieht man ihn allerdings auf den alleinerziehenden Vater, bekommt der Titel einen tieferen Sinn, denn Peintner hat auf einen Schlag alles verloren, was ihm wichtig war. Brandt verkörpert diese kaum nachzuvollziehende Verletztheit auf sehr eigenwillige, aber ungemein berührende Art. Der zurückhaltend inszenierte Film lebt ohnehin weniger von der Spannung, sondern vor allem von den intensiven Darstellerleistungen. Dass André Georgis Drehbuch Leipzig am Ende zu einem Sumpf der Korruption macht, mag zunächst etwas dick aufgetragen wirken; andererseits sind die Parallelen zwischen dem ehrgeizigen Bauprojekt City-Tunnel und den Mauscheleien beim Kölner U-Bahnbau eine verblüffende Koinzidenz.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).