"Was? Du nimmst an einem Schweigeseminar teil?" Solche Ausrufe habe ich schon öfter gehört. Und wenn man mich trifft, und ich rede schnell und viel, dann kann man sich das vielleicht auch wirklich nicht so recht vorstellen. Aber nachdem ich bereits zum fünften Mal ins Kloster gehe, weiß ich, auf was ich mich dabei einlasse. Ein paar Eindrücke aus der Stille.
Auf dem Weg ins Kloster geistern in meinem Kopf viele Dinge herum, die mich in den letzten Wochen beschäftigt haben. Und natürlich habe ich eine extra Packung Taschentücher eingepackt. Die erste Lektion, die ich vor vielen Jahren lernte, lautete: Wenn es draußen still wird, kann es in einem drinnen ganz schön laut werden.
Mit Schatzkarte unterwegs
Die Mitte des Meditationsraumes ist mit einem lila Tuch, einer Kerze, einer Muschel und den zentralen Begriffen unseres Wochenendes Stille, Kraft und Vertrauen geschmückt. Jesaja 30, 8ff ist diesmal unser Bibelwort: "Denn so spricht der Herr, der Heilige Israels: Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft".
Zehn Frauen sind in das Kloster Sankt Theresia der Missionsschwestern vom Heiligsten Erlöser nach Stadl bei Gars am Inn gekommen. Jede mit ihrer eigenen Geschichte, ihrer Freude, ihrem Kummer und ihren Sorgen. Bei der Einführung suche ich mir eine sogenannte Schatzkarte aus, auf der ein Begriff und eine Zeichnung zu sehen sind. Ich entscheide mich für "Handeln". Dieses Wort wird mich in den nächsten Tagen begleiten. Wir singen gemeinsam ein Lied von Kathi Stimmer-Salzeder: "Die Tür zum Leben tust Du in der Stille auf, da ist ein Weg, den will ich gehen."
Das Gästehaus befindet sich in den ehemaligen Stallungen des Pfarrhofs, der um 1715 erbaut wurde. Ab 21 Uhr wird es still, und man hört kaum noch etwas von den anderen. Ich notiere mir noch einige Dinge, die ich in der kommenden Woche erledigen muss und nicht vergessen darf. Langsam komme ich zur Ruhe. Schwester Marita Meister ist die Noviziats-, Postulats- und Seminarleiterin in Stadl und leitet auch dieses Seminar. "Schweigen hat wesentlich damit zu tun, dass ich einfach da sein darf, wie ich bin. Ich brauche an diesem Wochenende nichts leisten, ich muss nichts erreichen und muss kein Zertifikat vorweisen. Ob es jetzt schon in mir leise, oder immer noch laut ist - ich darf da sein. Und das ist ein erster Schritt, um Ruhe und ein Stück Stille zu finden."
Bewegter Tagesbeginn
Um 7:30 Uhr treffen wir uns zum Körpergebet und begrüßen den neuen Tag. Nach dem Impuls am Vormittag sitze ich im Meditationsraum, der sich direkt unter der Kirche befindet. Obwohl ich alleine bin, fühle ich mich in dem großen Raum nicht einsam. Ich male Mandalas. Plötzlich kommt mir das Lied "Andere Lieder wollen wir singen" in den Sinn. Ich singe "Laudato si" und "Herr, deine Liebe, ist wie Gras und Ufer" und genieße die Ruhe und die Kraft, die der Raum auf mich ausstrahlt.
Schwieriger wird es da bei der Schweigemeditation vor dem Mittagessen. Wir sollen unseren Körper spüren, doch als neben mir mehrmals kräftig gehustet wird, ist meine Konzentration verflogen. Ich erinnere mich an lange zurückliegende und fast schon in Vergessenheit geratene Ereignisse. Zum Beispiel als ein Arbeitskollege mit dem Auto tödlich verunglückte. Und wie ich 1988 mit der Evangelischen Jugend nach Frankreich fuhr - ein Besuch in Taizé und Meditation am Strand bei Sonnenaufgang inklusive.
Essen mit musikalischer Begleitung
Es ist schon erstaunlich, was man plötzlich alles wahrnimmt, wenn die Geräusche nicht von Gesprächen übertönt werden. Beim Essen frage ich mich, ob die Kaugeräusche sonst auch so laut sind. Und scheppert das immer so, wenn man eine Tasse abstellt? Leise Musik im Hintergrund lenkt etwas davon ab.
Das Ziel der Angebote in Stadl ist, dass jede und jeder den persönlichen Weg im Glauben entdecken, stärken und gehen kann. Ich nutze die Zeit für kurze Spaziergänge im Schneegestöber, male mit wenig zeichnerischer Begabung und dafür mit umso mehr Spaß ein paar Bilder mit Wachsmalkreiden, beschäftige mich mit dem Begriff "Handeln" und nehme an der Bibelarbeit teil.
Was bleibt
Nach der Wort-Gottes-Feier am Sonntag dürfen wir wieder sprechen. Ich bin mit meinen Gedanken noch ganz wo anders und gewöhne mich erst langsam wieder an die Worte. Die Stille hat mir sehr gut getan. Ich konnte auftanken. Kein Wunder, dass die Nachfrage vor allem nach kurzen Auszeiten zunimmt. "Ich denke das hängt mit den beruflichen Verpflichtungen zusammen. Es ist gar nicht mehr so leicht, sich im Alltag solche Freiräume nehmen zu können", erklärt Schwester Marita. Den Austausch mit den Gästen sieht sie auch als Auftrag, sich den Fragen zu stellen. "Ich bin überzeugt, es hat alles seine Berechtigung, und wir können uns gegenseitig bereichern und voneinander lernen. Letztlich sind wir miteinander auf dem Weg in der gleichen Richtung unterwegs, nur in unterschiedlichen Lebensformen."
Bettina Scriba arbeitet als Freie Journalistin in München mit Schwerpunkt Hörfunk und Print und auch für evangelisch.de.