Wüste, Meer und Stacheldraht sind nur drei von vielen Hindernissen, die Flüchtlinge überwinden müssen bis sie nach Europa gelangen. Ihre Situation soll "Frontiers - You've reached Fortress Europe" ("Grenzen - Du hast die Festung Europa erreicht") realistisch darstellen. So sollen die Spieler die Realität der illegalen Einwanderer kennenlernen.
Doch kommt die kostenlose Half-Life-2-Modifikation der österreichischen Künstlergruppe "gold extra" nicht pädagogisch oder mit erhobenem moralischen Zeigefinger daher. Spaß soll das Spiel machen und realitätsnah sein. Informationen werden niederschwellig vermittelt, etwa durch authentische Grenzschilder, die an getötete Flüchtlinge erinnern.
Schon 2007 hatten die Mitglieder der Künstlergruppe die Idee für ein Spiel über illegale Einwanderer. Sie recherchierten lange zur Grenzsituation in Afrika und Osteuropa auch vor Ort. Mit dem gesammelten Material aus Fotos, Eindrücken und Gesprächen mit Flüchtlingen entstand ein Spiel, dass sich kreativ mit der Flüchtlingspolitik auseinandersetzt. Programmiert wurde es auf der Basis von "Half Life 2", zum Spielen braucht man das Ursprungsspiel. "Frontiers" funktioniert als so genannter "Mod": Die Entwickler verändern damit die Spielregeln und -mechaniken so, dass ein anderes und neues Spiel entsteht.
Spiel sorgte in der Ego-Shooter-Szene für Furore
Der Alltag an vielen EU-Grenzen kann in "Frontiers" wahlweise aus der Perspektive eines Grenzwächters oder aus der eines Einwanderers nachvollzogen werden. Auch auf Gewalt wird nicht verzichtet, aber für unethisches und brutales Verhalten bekommt die Spieler Punkteabzug. "Wir sind stolz darauf, dass 'Frontiers' ein Computerspiel ist, bei dem die Spieler in die Luft schießen können, um Warnschüsse abzugeben", so Medienkunststudent Jens M. Stober, verantwortlich für die Gestaltung und Umsetzung des Games.
Das Spiel, das in der Ego-Shooter-Szene bereits für Furore sorgte, kann nicht nur zu Hause, sondern in der Ausstellung "Welt der Spiele" auch im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie gespielt werden. In den Diskussionsforen der Spieler geht es nicht nur um das Design des Spiels, sondern auch um die Frage, wieviel Politik in solche Spiele gehört.
Ursprünglich wollte die Künstlergruppe ein Spiel ohne Waffen gestalten. Dies sei aber nicht realistisch, angesichts der Situation an den Grenzen mit Stacheldrahtzaum und bewaffneten Grenzposten, sagte Sonja Prlic von der Künstlergruppe. Im Spiel sind jedoch die Anzahl der Waffen und auch die Munition begrenzt.
Das Spiel sanktioniert unethisches und brutales Verhalten
Im Gegensatz zu diesem zählt "Frontiers" zu den "Serious Games", Spiele, die über den kommerziellen Gewaltansatz hinaus gehen und eine "Lehre, Moral oder ethische Dimension" haben.
Die Spieler, die online miteinander vernetzt spielen, hätten Hemmungen, aufeinander zu schießen, so Prlic. Denn das Spiel sanktioniert unethisches und brutales Verhalten. Wenn auf Figuren geschossen und diese getroffen werden, färbt sich die weiße Friedenstaube am linken oberen Bildschirmrand langsam rot. Ferner droht Punktabzug.
Schließlich ist es nicht Ziel des Spiels, möglichst viele Figuren zu erschießen. Gewinner ist vielmehr, wem eine erfolgreiche Flucht als Flüchtling gelingt. Aus Sicht der Grenzer geht es dagegen darum, möglichst viele Flüchtlinge zu verhaften und nach Afrika zurückzuschicken.
Die Spielemacher wollen das Bewusstsein für das Schicksal von Flüchtlingen wecken, die riesige Strapazen und Risiken auf sich nehmen um ein Leben innerhalb Europas Grenzen zu führen. Prlic und Stober hoffen, dass ihr Spiel eine Diskussion über Immigration in Gang setzen wird.