Welche Lebensmittel in den Supermärkten von Bad Kreuznach gerade am billigsten sind, weiß der Iraner Amir Babshi ganz genau. Dem Flüchtling stehen monatlich 218 Euro und 18 Cent zum Leben zu. Mit einem kleinen Zusatzverdienst aus seinem Ein-Euro-Job kommt der junge Mann, der vor seiner Flucht im Iran als Journalist einer Lokalzeitung arbeitete, auf knapp unter 300 Euro im Monat. Eine Summe, die weit unter dem Hartz-IV-Regelsatz liegt. "Ich esse nur zwei Mal am Tag", sagt Babshi. Seit das Bundesverfassungsgericht die Berechnung der Hartz-IV-Leistungen für verfassungswidrig erklärt hat, hoffen auch Asylbewerber darauf, dass sich ihre Situation verbessert.
"Es gibt seit zwei Jahren ständig Rotkohl und Rote Bete"
Verglichen mit anderen Flüchtlingen steht Amir Babshi gar nicht einmal schlecht da: Zum einen haben ihm die Behörden erlaubt, aus dem Flüchtlingswohnheim auszuziehen. Statt sich ein Zimmer mit einem kettenrauchenden, alkoholabhängigen anderen Mann zu teilen, durfte er sich eine eigene Ein-Zimmer-Wohnung suchen. Zum anderen hat er eine zumindest symbolisch bezahlte Beschäftigung. Anderenorts wie etwa im wirtschaftsschwachen Mecklenburg-Vorpommern gibt es grundsätzlich keine Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge. In vielen Ländern erhalten Asylbewerber zudem außer einem kleinen Taschengeld keine Barleistungen.
Im Saarland proben mehrere hundert Bewohner der zentralen Flüchtlingsunterkunft in Lebach inzwischen den Aufstand: Sie weigern sich, die zweimal wöchentlich verteilten Lebensmittelpakete entgegen zu nehmen und wollen stattdessen Bargeld, um selbst einkaufen zu können. "Warum zwingt man uns zu essen, was wir nicht wollen", ärgert sich ein Bewohner über die eintönige Kost aus Konservendosen und Halb-Fertiggerichten. Dass viele Lebensmittel aus den Paketen von den meisten sofort aussortiert würden, sei der Heimverwaltung seit langem bekannt. "Trotzdem gibt es seit zwei Jahren ständig Rotkohl und Rote Bete", erzählt der Familienvater aus dem Nahen Osten.
"Ein klassisches Abschreckungsmodell"
"Es kann keine zwei Arten von Existenz-Minimum geben", sagt Bernd Mesovic von der Flüchtlingshilfeorganisation "Pro Asyl" aus Frankfurt. Er hält die Leistungen für Asylbewerber ebenso für verfassungswidrig wie die kürzlich gekippten Hartz-IV-Sätze. Auch der Bedarf von Flüchtlingen sei nie nachvollziehbar ausgerechnet worden, kritisiert Mesovic: "Da ist noch weniger Gehirnschmalz als beim Arbeitslosengeld darauf verwendet worden, wie sich der Betrag zusammensetzt." Offenbar, vermuten Flüchtlingshelfer, sind die Regelungen nur noch nicht beanstandet worden, weil sich bislang kein Flüchtling abschließend durch alle Instanzen geklagt habe.
Das Asylbewerberleistungsgesetz trat 1993 in Kraft, zu einer Zeit, als die europäischen Außengrenzen noch nicht ganz so gut abgeschottet waren und jedes Jahr noch mehrere hunderttausend Menschen Zuflucht in Deutschland suchten. Damals wurde festgelegt, das die Kommunen selbst entscheiden können, ob sie Flüchtlingen Bargeld auszahlen, oder aber Essenspakete oder Gutscheine für Lebensmittel verteilen. "Ein klassisches Abschreckungsmodell", heißt es bei "Pro Asyl". Erhöht wurden die Hilfssätze in all den Jahren kein einziges Mal, nicht einmal einen Inflationsausgleich gab es seit 1993.
"Dann habe ich keine Zeit, um über Essen nachzudenken"
Ob Flüchtlinge nach der Karlsruher Entscheidung zu den Hartz-IV-Sätzen mit einer Verbesserung ihrer Lage rechnen können, ist bislang offen. "Wir prüfen derzeit das Urteil und den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf", heißt es im zuständigen Bundessozialministerium.
Der Iraner Amir Babshi arbeitet oft doppelt so lange, wie er müsste: "Dann habe ich keine Zeit, um über Klamotten oder Essen nachzudenken." In Rheinland-Pfalz hat er sich katholisch taufen lassen und einen zweiten Asylantrag gestellt, weil ihm im Iran wegen der Abkehr vom Islam die Todesstrafe drohen würde. Seine karge Stütze muss nun ausreichen, um auch den Rechtsanwalt zu bezahlen.