Missbrauch: Sexuelle Übergriffe an evangelischem Internat
Auch in einem evangelischen Internat in Baden hat es sexuelle Übergriffe von Lehrpersonen auf Schüler gegeben. Zur Tranparenz in den Missbrauchsfällen hält die Politik an ihrem Runden Tisch fest. Auch über eine Verlängerung der Verjährungsfristen wird debattiert.

Immer mehr Fälle sexuellen Missbrauchs an kirchlichen Schulen kommen ans Licht. Am Donnerstag gab das evangelische Internat im badischen Gaienhofen bekannt, dass es seit Anfang der 60er Jahre sexuelle Übergriffe auf Schüler gab. Zugleich brach zwischen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und der katholischen Kirche erneut Streit über ein gemeinsames Gespräch zu den Missbrauchsfällen aus. Auch die Debatte über einen Runden Tisch setzte sich fort.

Entlassungen in Gaienhofen

Fünf Heimerzieher und Lehrkräfte des Internats am Bodensee seien entlassen worden, weil ihnen sexueller Missbrauch oder Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen wurde, teilte die badische Landeskirche mit. In allen Fällen sei das Dienstverhältnis für die Heimerzieher und Lehrkräfte aufgelöst worden. Das Internat in Gaienhofen ist das einzige Schulinternat der Evangelischen Landeskirche in Baden. Zur Aufklärung möglicher weiterer Fälle will die Landeskirche nun alle ehemaligen Schüler ihrer bestehenden und geschlossenen Internate (Heidelberg und Mannheim) in landeskirchlicher Trägerschaft anschreiben.

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg setzte eine Kommission ein, die eventuellen Vorwürfen sexuellen Missbrauchs in landeskirchlichen Einrichtungen nachgehen wird. Die Präsidentin der württembergischen Landessynode, Christel Hausding, sagte bei der Frühjahrstagung in Schwäbisch Gmünd, im Bedarfsfall könne diese Kommission sofort aktiv werden.

Nach ihrem Streit mit der katholischen Kirche lud Leutheusser-Schnarrenberger unterdessen den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, für den 25. März zu einem Gespräch ein. Bei dem Treffen solle es auch um eine mögliche Entschädigung der Opfer gehen, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Max Stadler (FDP), im ZDF.

Verstimmung über Leutheusser-Schnarrenberger

Die Bischofskonferenz reagierte verärgert auf diese Ankündigung. "Der Termin der Ministerin ist uns über die Medien bekannt gemacht worden und nicht mit uns abgesprochen", sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, dem epd in Rom. Dort hält sich zur Zeit Zollitsch auf, weil er am Freitag mit dem Papst über die Missbrauchsfälle sprechen will. Der Erzbischof sei wegen anderer Verpflichtungen am 25. März verhindert, sagte Kopp.

Die Verstimmungen zwischen den Bischöfen und der Ministerin waren im Februar durch den Vorwurf Leutheusser-Schnarrenbergers ausgelöst worden, die Kirche arbeite mit den Strafverfolgungsbehörden nicht konstruktiv zusammen. Nachdem Zollitsch ihr daraufhin ein Ultimatum für die Rücknahme der Kritik gesetzt hatte, lud die Ministerin den Bischof zum Gespräch ein. Ein Termin war aber zunächst offen.

Staatssekretär Stadler verteidigte das Vorhaben des Justizministeriums, einen eigenen Runden Tisch zum Thema Kindesmissbrauch ins Leben zu rufen. Die Familien- und die Bildungsministerin hätten klargemacht, dass es ihnen bei ihrem Runden Tisch eher um das Thema Prävention gehe, sagte Stadler dem WDR. Dies sei ein wichtiges Anliegen, das aber für die Aufarbeitung der juristischen Fragen vermutlich keinen Platz lasse.

Verjährungsfrist soll erhöht werden

Der von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) geplante Runde Tisch zu den Missbrauchsfällen an Schulen soll erstmals am 23. April zusammentreten. Eingeladen sind unter anderem Vertreter von Kirchen sowie von Lehrer- und Sozialverbänden.

Stadler kündigte zudem an, noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist bei Missbrauch vorzulegen. Dabei geht es um die Frage, wie lange ein Missbrauchsopfer Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld hat.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Olaf Scholz schloss sich Forderungen aus Union und FDP an, die Verjährungsfrist für Schadensersatz von derzeit drei auf 30 Jahre zu erhöhen. Bei der strafrechtlichen Verjährung halte er 20 Jahre für angemessen, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Scholz kritisierte allerdings den geplanten Runden Tisch. Das genüge nicht. Es müsse erwogen werden, eine Untersuchungskommission einzusetzen.

Runde Tische kein Allheilmittel

Auch die Grünen-Politikerin Antje Vollmer äußerte sich skeptisch zur Einrichtung eines Runden Tisches. "Runde Tische sind kein Allheilmittel, um auf eine hitzige Debatte zu reagieren", warnte Vollmer in einem epd-Gespräch in Berlin. Die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin moderiert den seit einem Jahr bestehenden Runden Tisch Heimkinder.

Die Prävention zu stärken, sei normale Regierungsarbeit. Daher könne die Regierung zunächst ihre eigenen Instrumente einsetzen wie etwa eine Kommission, die der Regierung oder dem Parlament direkt zuarbeite. "Ich habe den Eindruck, dass beide Ministerinnen aus einer gewissen Hilflosigkeit heraus ein Mittel gesucht haben, um in der aufgeregten Debatte überhaupt einen Vorschlag machen zu können", sagte Vollmer.

Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Ludwig Spaenle (CSU), rief die katholische Kirche dazu auf, in Missbrauchsfällen künftig die Meldepflichten genauer einzuhalten. "Wir haben leider erlebt, dass in der Vergangenheit kircheninterne Meldepflichten und die Vorschriften der Schulaufsicht, Straftatbestände sofort zu melden, bewusst unterlaufen wurden", sagte der bayerische Kultusminister der "Passauer Neuen Presse".

epd