Papst: Missbrauchsskandal wird Chefsache
Benedikt XVI. ist jetzt als Krisenmanager gefragt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sucht am Freitag im Vatikan den Rat des deutschen Papstes.
10.03.2010
Von Hanns-Jochen Kaffsack

Krisen gab es schon viele in der katholischen Kirche. Vor einem Jahr war es die päpstliche Aufwertung der erzkonservativen Pius-Bruderschaft, die in Deutschland zu schweren Turbulenzen führte. Doch der Skandal um sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen hat eine andere Qualität. Auch deshalb, weil diese Krise nicht von Rom ausgeht.

Null Toleranz gegenüber den Schuldigen

Einmal mehr muss Benedikt eine unerträglich hohe Zahl von Missbrauchsfällen - diesmal vor allem in Deutschland - zur Chefsache machen. Übung darin hat der Pontifex, er bringt eine Menge Erfahrung im Umgang mit dem unrühmlichen und immer wieder auftauchenden Problem mit. Sein Ziel ist klar, das zeigte sich bereits bei den Skandalen in Irlands Kirche: Null Toleranz gegenüber den Schuldigen, Bestrafung, raschere Aufklärung der Fälle, also auch mehr Transparenz. Und dazu Maßnahmen zur Vorbeugung, etwa in der Priesterausbildung. "Richtiges Reinemachen", so nennt das der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sucht am Freitag im Vatikan den Rat des deutschen Papstes. Der wird zunächst einmal nur eines tun - zuhören. Und zwar konzentriert, denn das ist eine der Stärken des 82-Jährigen. Danach erst geht es darum, wie die Kirche in Deutschland auf welchen Wegen weiter vorgehen soll. Der Vatikan bejaht den geplanten Runden Tisch zum Missbrauch, und Zollitsch war bereits vor der Anreise in Rom mit dem Papst in der Sache einig: Der Vatikan lobt das Vorgehen der deutschen Kirche, man zieht also an einem Strang.

Strategien, "um jede Wiederholung zu verhindern"

Was Benedikt wichtig ist und wie er solche Skandale angeht, hatte sich schon am "Fall Irland" in den vergangenen Monaten gezeigt. Erst musste die traurige Sachlage - tausendfacher Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche, belegt in gleich zwei Berichten - geklärt sein.

Dann rief Benedikt den Präsidenten der irischen Bischofskonferenz, Sean Brady, und den Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin, im Dezember zu einem ersten Rapport hinter Vatikanmauern nach Rom. Was er erfuhr, bestürzte ihn so sehr, dass er "höchste Aufmerksamkeit" versprach - und im Februar dann alle Bischöfe in die Ewige Stadt zitierte. Er wolle Strategien entwickeln, "um jede Wiederholung zu verhindern."

Und das bedeutet vor allem eine bessere Ausbildung und später auch Kontrolle der lokalen Priester, die sich doch um die Seelsorge von Kindern kümmern sollen. Einen sicher auch für Deutschland wichtigen Brief mit "Maßnahmen" will Benedikt bald nach Dublin schicken. Dass er sich jetzt auch um die deutschen Fälle kümmern muss, dürfte ihm besonders aufs Herz drücken. Bei den Schlagzeilen um die "Domspatzen" kann der frühere Regensburger Dogmatik-Professor Joseph Ratzinger, nur zusammengezuckt sein. War doch Bruder Georg lange Leiter der "Domspatzen". Das übergeordnete Interesse eines Papstes gilt indes immer seiner Herde - wie kann die Kirche Autorität wiedergewinnen, wenn immer öfter von Vertuschen und Verschweigen die Rede ist?

Das Zölibat wird er nicht aufheben

Aus Vatikan-Sicht laufen die Dinge in etwa so ab: Erst wenn die Voruntersuchungen in den betroffenen Bistümern beendet sind, wird die Glaubenskongregation in Rom informiert, deren Präfekt Ratzinger lange war. Doch nur in den besonders gravierenden Einzelfällen zieht der Heilige Stuhl die Sache ganz an sich, erläutern Vatikan-Kenner.

Benedikts Erfahrung und seine unmissverständliche Haltung zum sexuellen Missbrauch dürften ihm zugutekommen. 2008 war er in den USA als erster Papst mit Opfern pädophiler Priester zusammengekommen - tief beschämt rief er seine Kirche dort zu "Reinigung und Erneuerung" auf. Image-Schaden hin, Verlust an Autorität her, eines wird er sicherlich kaum tun - er wird nicht das Zölibat aufheben, jene Ehelosigkeit der Priester, die Kritiker wie der Reformer Hans Küng mitverantwortlich für die Skandale machen.

dpa