"Unsere Kinder dürfen nicht umsonst gestorben sein! Es darf kein zweites Winnenden geben", fordert Gisela Mayer. Ihre Tochter wurde vor einem Jahr von dem 17-jährigen Tim K. getötet. Der ehemalige Schüler der Albertville-Realschule in Winnenden erschoss am 11. März 2009 dort und im nahe gelegenen Wendlingen 15 Menschen, bevor er sich selbst richtete. Seitdem sollen unter anderem ein schärferes Waffenrecht und mehr Sicherheit in Schulen helfen, solche Taten zu verhindern.
7,2 Millionen "scharfe" Waffen in Deutschland
Tim K. tötete mit der Waffe und der Munition seines Vaters. Unmittelbar nach dem Amoklauf hat die Bundesregierung das nationale Waffenrecht verschärft. Nun gelten strengere Sicherheitsbestimmungen, wie und wo die Waffen aufbewahrt werden müssen. Außerdem wurde die Altersgrenze für das Schießen mit großkalibrigen Waffen von 14 auf 18 Jahre angehoben.
Etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland besitzen über 7,2 Millionen "scharfe" Waffen. Das neue Waffenrecht erlaubte Besitzern von legalen und illegalen Waffen, diese ohne Strafe bis Ende 2009 bei den Behörden abzuliefern. Allein in Baden-Württemberg wurden 64.200 legale und 7.000 illegale Waffen abgegeben.
Expertenkreis Amok fordert mehr Personal
Noch im März 2009 hat die baden-württembergische Landesregierung den Expertenkreis Amok gegründet, der im Oktober seine Empfehlungen vorlegte. Die Fachleute, darunter Polizisten, Psychologen und Pädagogen, fordern mehr Personal, damit auffällige Schüler rechtzeitig erkannt werden.
An die 100 Psychologen arbeiten bereits an Schulen des Bundeslandes. "Wir brauchen deutlich mehr davon, außerdem Beratungslehrer und eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern", sagt Karin Zirenner, Leiterin der Stabsstelle Prävention und Intervention bei Gefahrenlagen des Kultusministeriums Baden-Württemberg.
Karlsruhe: Gute Erfahrungen mit Türknaufsystem
Schon vor dem Amoklauf in Winnenden hat die Stadt Karlsruhe sich mit der Sicherheit an Schulen beschäftigt. Vier Schulen haben seitdem ein Türknaufsystem eingerichtet, das verhindert, dass während des Unterrichts von außen die Türen geöffnet werden können. "Die Schulen haben damit gute Erfahrungen gemacht", sagt Joachim Frisch, stellvertretender Amtsleiter beim Schul- und Sportamt Karlsruhe. Außerdem gibt es neben der Pausenklingel und dem Feueralarm in vielen Karlsruher Schulen einen dritten Signalton. Im Amokfall müssen die Schüler im Klassenraum bleiben, sich von den Türen fern halten und die Fenster schließen.
Besonders kritisch sieht der Expertenkreis Amok einschlägige Computerspiele. Auch der Winnender Täter Tim K. spielte regelmäßig. Die Experten wollen blutige Szenen oder Sequenzen, die an Amokläufe erinnern, in den Spielen verbieten. Zudem soll eine Altersabfrage Missbrauch vorbeugen. Ähnlich wie bei pornografischen Seiten wird so Minderjährigen der Zugang zu Gewaltspielen verwehrt.
"Stiftung gegen Gewalt an Schulen"
Mitte März soll vor dem Landgericht in Stuttgart der Prozess gegen Tims Vater verhandelt werden. "Wir wollen klären, ob die Eltern von der psychischen Gefährdung ihres Sohnes wussten und wie weit sie für die Tat haftbar sind", sagt der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger.
Aus dem Aktionsbündnis der Winnender Opfereltern ist die "Stiftung gegen Gewalt an Schulen" entstanden. Nach dem Jahrestag will die Stiftung eine "Hotmail" freischalten, an die sich Schüler wenden können, wenn ihnen etwas bei ihren Mitschülern auffällt. "Junge Menschen telefonieren nicht gerne, aber sie schreiben E-Mails", sagt Gisela Mayer. Vielleicht kann so ein weiterer Amoklauf verhindert werden.