Dazu sollten Politik, Wirtschaft und Kulturträger gemeinsam aufrufen, forderte der ehemalige Regierungssprecher von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Montag in Berlin. "Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die über bloße Betroffenheitsbekundungen bei erneuten rechtsextrem motivierten Gewaltexzessen hinausgeht."
2001 seien 10.054 rechtsextrem motivierte Straftaten gezählt worden, sagte Heye. "Seitdem ging die Kurve steil nach oben, 2008 hatte sie sich mit 20.422 bereits mehr als verdoppelt." Seit der Wende habe es zudem 149 Todesopfer durch rechtsextreme Gewalt gegeben. "Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn es nicht so viele Initiativen gegen Rechts geben würde." Kritik äußerte er an geplanten Überprüfungen derartiger Initiativen durch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Rechtsextremismus dürfe keinesfalls verharmlost werden: "Er ist tödlicher" als der Linksextremismus.
"Kein Nazi fällt vom Himmel"
Die Jugendlichen sind laut Heye die wichtigste Zielgruppe des Rechtsextremismus. Dennoch sei er ein gesamtgesellschaftliches Problem. "Kein Nazi fällt vom Himmel, und es guckt auch keiner aus einem Kinderwagen heraus." Heye sprach sich daher ebenso für eine stärkere Jugendprävention als auch für eine bessere Erwachsenenarbeit aus. "Auch das Schulsystem muss sich ändern und öffnen, für Bildungschancen für jeden - unabhängig von Herkunft und Elternhaus." Dafür seien Investitionen von rund 24 Milliarden Euro nötig.
Besonderes Augenmerk legte Heye auf die NPD. "Die NPD gilt als 'revolutionäre Protestpartei', ihre Jugendarbeit kommt an." Die rechtsextreme Partei verfüge mittlerweile über mehr als 300 Kommunalmandate. 2003 seien es noch wenige Dutzend gewesen. Daher sei es wichtig, dass auch die Medien kontinuierlich über die Gefahr durch Rechtsextremismus berichteten. "Wo immer Neonazis Gegenwind spüren, wird es für sie schwierig", so Heye.
Hakenkreuze und Morddrohungen
Der Sprecher der brandenburgischen Initiative "Zossen zeigt Gesicht", Jörg Wanke, berichtete in diesem Zusammenhang von der schwierigen Arbeit im ländlichen Raum. "Wir werden von der Stadt als Nestbeschmutzer betrachtet, weil wir das Problem des Rechtsextremismus angeblich selbst anziehen." Ende Januar waren die Vereinsräume im örtlichen "Haus der Demokratie" angezündet worden, am vergangenen Wochenende waren an mehreren Wänden im Stadtgebiet 30 Hakenkreuze sowie eine Morddrohung gegen ein Vereinsmitglied geschmiert worden.
"Wir haben es satt, in einer Stadt zu leben, in der die Nazis die Bürger immer häufiger im Alltag herausfordern", sagte Wanke. "Wir haben nun ein Objekt zum Wiederaufbau des Hauses ins Auge gefasst." "Zossen zeigt Gesicht" plane zudem, ein Netzwerkbüro aufzubauen. "Wir wollen dadurch einen ständigen Austausch der Initiativen aus der ganzen Region möglich machen."
Der Journalist Ulrich Wickert, der "Gesicht zeigen!" seit Gründung des Vereins mit dem Slogan "Mut ist erste Bürgerpflicht" in der Öffentlichkeit unterstützt, verwies auf die nach wie vor nötige Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Der frühere Moderator der ARD-"Tagesthemen" forderte ferner eine stärkere finanzielle Unterstützung von Aussteigerprogrammen. "Hier versagt der Staat. Manche Leute kommen da ähnlich wie bei Sekten alleine nicht mehr raus."