Westerwelle: Betriebsausflug der FDP zur Erdbebenhilfe?
Außenminister Guido Westerwelle hat eine einwöchige Südamerika-Reise begonnen. Vor dem Erdbeben war der Abstecher nach Santiago gar nicht geplant, nun ist Chile ein guter Ort für Guido.
08.03.2010
Von Christoph Sator

Auf dem Flughafen von Santiago de Chile, nach einer 22-Stunden-Reise um die halbe Welt, ist die Sache ganz klar: Guido Westerwelle nimmt keine Spenden entgegen. Er spendet selbst. Alles in allem, so hat es sein Amt errechnet, hat der Außenminister Hilfe im Wert von 630.000 Euro dabei. Geldzusagen der Bundesregierung über eine halbe Million, aber auch Zelte, Decken, Wasserbehälter oder Satellitentelefone - was in Chile nach dem Erdbeben von Ende Februar eben dringend gebraucht wird.

Neun Tage nach der Katastrophe ist der Flughafen der 6,8-Millionen-Einwohner-Stadt immer noch nur provisorisch geöffnet. Die Abfertigungsgebäude durchziehen große Risse. Zur Erinnerung an die mehr als 450 Toten im ganzen Land wehen die Fahnen draußen auf halbmast. "Wir Deutsche stehen solidarisch an Ihrer Seite", versichert Westerwelle dem chilenischen Kollegen Mariano Fernandez. Der bedankt sich freundlich, als er die Lieferung entgegennimmt.

Spiegel: Dienstreisen ähneln "FDP-Betriebsausflügen"

Schöne Bilder eigentlich, so weit entfernt von der deutschen Innenpolitik. Müsste sich Westerwelle nicht gleichzeitig gegen den Verdacht wehren, die Ämter als FDP-Chef und Minister auf seinen Reisen nicht korrekt auseinanderzuhalten. Der "Spiegel" kommt nach Prüfung von Teilnehmerlisten zu dem Schluss, dass manche Dienstreisen "FDP-Betriebsausflügen" ähneln. Grüne und Linke verlangen Auskunft, ob Spender bevorzugt behandelt werden.

Als Beweis für die These wird zum Beispiel der Internet-Unternehmer Ralph Dommermuth (1&1, gmx.de) aufgeführt, dessen Firma United Internet schon länger zum Kreis der FDP-Spender gehört. Dommermuth ist auf der einwöchigen Südamerika-Tour fast immer mit dabei. Auch einige andere der elf mitfliegenden Manager sind alte Bekannte des Vizekanzlers, was auch niemand bestreitet. So etwas soll aber auch bei früheren Außenministern schon vorgekommen sein.

Das Auswärtige Amt beteuert, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Die Teilnehmer seien nach den üblichen Kriterien aus etwa 60 Namen ausgewählt worden. Bezahlt werde auch. "Über die Zusammensetzung der Wirtschaftsdelegationen wird in einem eingespielten Verfahren entschieden." Westerwelle selbst hält den "Spiegel"-Artikel für einen "tendenziösen Bericht voller haltloser Unterstellungen". "Das läuft bei mir so, wie es bei meinen Vorgängern gelaufen ist.

Wirtschaftswachstum aus der Katastrophe?

Zumindest spielt das Thema bei den Gesprächen in Santiago keinerlei Rolle. Der neu gewählte Präsident Sebastián Piñera empfängt Westerwelle sogar auf seinem riesigen Privatanwesen. Man versteht sich gut, was aber auch keine große Überraschung ist. Piñera - 60 Jahre alt, konservativ, -zigfacher Millionär - wäre in Deutschland wohl in der FDP zuhause. Einen "Erfolgsmann" nennt ihn der Gast. Bis zum Erdbeben stand der Abstecher nach Santiago gar nicht auf dem Programm. Aber dann stellt sich heraus, dass Chile ein ziemlicher guter Ort war, um eine Südamerika-Reise zu beginnen.

Die Andenrepublik gehört zu den Vorzeigestaaten des Kontinents, denen es bislang besser als vielen anderen Ländern gelungen ist, durch die Wirtschaftskrise zu kommen. Bald wird sie als erster südamerikanischer Staat OECD-Vollmitglied sein, im "Club der Reichen". Dank gesunder Staatsfinanzen dürfte es - im Unterschied zum anderen jüngsten Erdbeben-Opfer Haiti - auch möglich sein, die Milliardenschäden weitgehend aus eigener Kraft zu beseitigen.

Manche hoffen sogar darauf, dass der Wiederaufbau neuen Elan fürs Wirtschaftswachstum bringt. In diesem Jahr wird es wegen des Bebens schwächer ausfallen als die erwarteten 5,5 Prozent. Aber nächstes Jahr, wenn die Reparaturarbeiten auf Hochtouren laufen, sollen es dann deutlich mehr sein. Finanzminister Andrés Velasco ist sich sicher: "Wenn der Wiederaufbau erst einmal in Gang gekommen ist, kommt Dynamik für die Wirtschaft auf." Von solchen Aussichten können manche Besucher nur träumen.

dpa