Über den formatierten Menschen: Drei Fragen an Ernst Elitz (12)
Pointierte Anmerkungen zu Politik und Zeitgeschehen: Als erfahrener Journalist ist Ernst Elitz gewohnt, den Mächtigen kritisch auf die Finger zu schauen, verschleiernde Worthülsen zu knacken und das Zeitgeschehen bisweilen bissig zu kommentieren - wobei er übrigens das Neue Testament als ein Vorbild sieht: Beispielhaft in seiner klaren und pointierten Aussprache sei es, ein guter Lebensentwurf für Ehrlichkeit, Aufklärung und Menschenwürde. Jeden Freitag beantwortet Ernst Elitz drei Fragen für evangelisch.de.
05.03.2010
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

evangelisch.de: Die "Bunte" lässt eine Agentur zur Recherche der besonderen Art auf Prominente los. Können Journalisten noch nicht einmal mehr ihre Drecksarbeit selbst erledigen?

Elitz: Sie zitieren den Tübinger Medienwissenschaftler Pörsken. Ich hoffe, er meint mit "Drecksarbeit" nicht den investigativen Journalismus an sich. Der ist die Königsdisziplin unseres Gewerbes. Um Korruption und anderes Fehlverhalten in Politik und Wirtschaft aufzudecken, muss detektivisch und verdeckt gearbeitet werden. So was bekommt man nicht auf dem Silbertablett serviert. Aber Journalisten sollten es nach Möglichkeit nicht so machen, wie zur Zeit einige Landesregierungen, die mit eindeutig Kriminellen zusammenarbeiten, um an die Daten von Steuerhinterzieher zu kommen. Und: Auch das Privatleben von Politikern ist nicht mit einem absoluten Tabu belegt. Wer als Politiker die heilige Familie hochleben lässt und sich mit ihr in der Fotografen-Sonne räkelt, um seine Beliebtheitskurve nach oben zu treiben, der muss sich auch beim Fremdgehen abbilden lassen. Da ist der Journalist Wahrheitsfanatiker, und der Politiker hat einen Glaubwürdigkeitstest zu bestehen. Damit das klar ist: Die Fälle Münte und Lafo rechtfertigen eine solche Beschattung nicht. Aber gerade weil die investigative Recherche und ihre Methoden von höchster Sensibilität sind, sollte diese Arbeit nicht ousgesourct werden. Sie ist eine Kernaufgabe der Redaktion. Natürlich kann das auch in der Redaktion ziemlich schief gehen, wie das Beispiel des "Stern" beweist, der jetzt gegen die "Bunte" schiesst. Das Foto vom toten Barschel in der Badewanne und die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher waren nicht outgesourct und trotzdem oberpeinlich.

evangelisch.de: Das Verfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Sind die Bürgerrechte in Karlsruhe besser aufgehoben als in Berlin oder Brüssel?

Elitz: Das war wieder so eine Entscheidung aus der Karlsruher Juristen-Serie "Na ja schon, aber nicht so". Dass diese Entscheidung auch unter den Richtern umstritten war und nur mit knapper Mehrheit erging, nimmt ihr nichts an Gültigkeit, doch an Gewicht. Zu meinen Bürgerrechten gehört auch, dass der Staat mich vor terroristischen Angriffen schützt, dass er Korruption und Wirtschaftsspionage gnadenlos verfolgt und dass er Anbietern von Kinderpornographie das Handwerk legt. Dafür muss er das Netz über lange Zeiträume durchforsten, und er wird nicht von vornherein paar Verdächtige benennen können, denen er mit richterlicher Genehmigung nachstellt. Das unterscheidet das Internet vom "Tatort". Und deshalb habe ich meine Menschenwürde auch bei der Bundesregierung und der Vorratsdatenspeicherung ganz gut aufgehoben gefühlt.

evangelisch.de:Ikea verkauft jetzt sogar Fertighäuser. Wohnen wir noch oder leben wir schon in marktgerecht genormter Konformität?

Elitz: Fast. Der formatierte Mensch ist leichter handlebar. Es beginnt mit den zusammengeschraubten Stuhlreihen, wo ich nicht mehr beiseite rücken kann, wenn mich adipöse Nachbarn in die Zange nehmen. Die so bestuhlten Sitzungssäle sind Sardinendosen mit Sitzgelegenheit. Es geht weiter mit der allgegenwärtigen Margarine-Musik im Supermarkt und den farbenfrohen Kinderbechern, aus denen alle beim Hotelfrühstück ihren lauwarmen Kaffee trinken müssen. Die meisten Hotels werden von Managern geführt, die das Wort Porzellan-Tasse noch nie gehört haben. Dazu passt die neueste Verpackungsidee von Ikea. Die passionierten Kunden bekommen einfach über das ganze Sammelsurium, das sie in der Ikea-Hölle erstanden haben, einen bunten Pappkarton gestülpt: Das Ikea-Haus. Tolle Geschäftsidee.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.