Mittlerweile haben zwölf der 16 Bundesländer sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Die christliche Sondergemeinschaft ist damit bundesweit fast überall rechtlich den großen Kirchen gleichgestellt. Vor allem Rheinland-Pfalz sträubt sich noch, den Zeugen den begehrten Status zu verleihen. Doch die Erfolgschancen der Mainzer Landesregierung stehen schlecht.
Walter Schumacher, rheinland-pfälzischer Regierungssprecher, gibt sich dennoch gelassen. Ein Zeitplan für eine Kabinettsentscheidung zu den Zeugen Jehovas existiere noch nicht. "Wir haben da keinen Zeitdruck", sagt er. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatte vor einem Jahr angekündigt, die Behörden im Land würden Material zusammensammeln, mit dem eine Anerkennung womöglich noch verweigert werden könnte. Für ihn sei der Gedanke "schwer erträglich", dass die Zeugen Jehovas die gleiche Rechte wie die großen Kirchen erhielten, sagt Beck.
Prozessmarathon über 15 Jahre
Doch die deutschen Gesetze unterscheiden nicht zwischen "guten" und "weniger guten" Religionen. "Das sind ganz formale Kriterien", sagt Michael Germann, Professor für Staatskirchenrecht an der Universität Halle-Wittenberg. "Jede Religions- und jede Weltanschauungsgemeinschaft, die stabil organisiert ist und sich an die Gesetze hält, hat Anspruch auf den Status." Um den Antrag abzulehnen, müssten den Zeugen Jehovas systematische Verstöße gegen Gesetze nachgewiesen werden. Berichte einzelner traumatisierter Aussteiger würden dafür kaum ausreichend sein.
Nach einem über 15-jährigen Prozessmarathon hatten die Zeugen Jehovas 2006 ihre Anerkennung zunächst in Berlin durchgesetzt und danach bundesweit eine sogenannte Zweitverleihung der Körperschaftsrechte beantragt. Im vergangenen Jahr haben fast alle Länder diesen Schritt vollzogen, zumeist in aller Stille. In Baden-Württemberg hat der Ministerpräsidentenwechsel das Prozedere verzögert, in Nordrhein-Westfalen wird die Anerkennung wohl erst nach der Landtagswahl im Frühjahr stattfinden. In Bremen muss die Bürgerschaft zustimmen, doch nach einer heftigen Debatte ist das Verfahren zunächst bis April unterbrochen.
Prestigegewinn gegen Sekten-Image
"Das ist verlorene Liebesmüh", glaubt inzwischen selbst Michael Utsch von der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin. Statt Widerstand gegen die Körperschaftsrechte zu leisten, müssten staatliche Stellen besser über die Lehren der Zeugen Jehovas sowie darüber aufklären, wie rigoros diese mit Abtrünnigen umgehen. Wer aussteigen wolle, setze seine kompletten sozialen Beziehungen zum bisherigen Umfeld aufs Spiel.
Die Glaubensgemeinschaft, die ihr Sekten-Image bislang nicht ablegen konnte, erhofft sich offenbar vor allem einen Prestigegewinn durch die Gleichstellung mit den Kirchen. Das Grundgesetz sehe eine bestimmte Rechtsform für Religionsgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas vor, sagt Gajus Glockentin, Justiziar und Pressesprecher in der Deutschlandzentrale der Zeugen im hessischen Selters: "Wir streben den Status an, der uns zusteht."
Als Körperschaft können Religionsgemeinschaften mit staatlicher Hilfe Kirchensteuern einziehen, konfessionelle Kindergärten einrichten und Religionsunterricht an Schulen anbieten. Von den neuen Vorrechten wollen die Zeugen Jehovas, die auf das baldige Weltende und die Vernichtung aller Ungläubigen warten, allerdings wohl auch in Zukunft keinen Gebrauch machen. Der EZW-Experte Michael Utsch fürchtet freilich, dass die Anerkennung künftig einen "gewissen Modellcharakter" für andere problematische Vereinigungen wie Scientology haben könnte.