TV-Tipp des Tages: "Meine böse Freundin" (3sat)
Behütet aufgewachsen, erfährt die naive Ellen erstmals etwas über die weniger schönen Seiten der Wirklichkeit: Ihre Eltern lassen sich scheiden und eine "böse Freundin" treibt ein perfides Spiel mit ihr.
01.03.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Meine böse Freundin", 2. März, 20.15 Uhr auf 3sat

"Leben lernen" heißt die Sendung, die Ellens Mutter im Fernsehen moderiert. Die Frau ist Psychologin und hat das eigene Dasein, man ahnt es, nicht im Griff. "Leben lernen" ist auch die Aufgabe, vor der Ellen steht. Behütet aufgewachsen, erfährt das naive Mädchen mit dem pausbäckigen Engelsgesicht erstmals etwas über die weniger schönen Seiten der Wirklichkeit. Der Angriff kommt von zwei Seiten: Daheim geht die Ehe der Eltern, offenbar seit Jahren nur mit Mühe aufrecht erhalten, in die Brüche. Und draußen im wahren Leben wird Ellen mit einer Teufelin konfrontiert, die ihre Werte in den Grundfesten erschüttert.

Mit Anna Maria Mühe und Alice Dwyer

Neben einem gerade in der Figurenschilderung gewohnt fundierten Drehbuch (Hannah Hollinger) hat der Film zwei Trümpfe zu bieten, die sich als Glücksfall erweisen: Den unschuldigen Engel spielt Anna Maria Mühe, ihre teuflische Gegenspielerin Isa verkörpert Alice Dwyer. Schade eigentlich, dass der Titel Isas sinistre Seite bereits vorwegnimmt. Es wäre womöglich reizvoller gewesen, wenn das Mädchen ein Rätsel geblieben wäre. So aber nimmt man ihre Handlungen von vornherein als Berechnung wahr: Isa benutzt die Menschen, wie sie sie gerade braucht. Mit Ellen treibt sie ein besonders perfides Spiel. Als die Kölner Schülerinnen gemeinsam am Rhein entlang laufen, treibt Ellen es eindeutig zu weit: Sie rennt, bis ihr das Blut aus der Nase schießt und sie zusammenbricht. Die selbstbewusste Isa ist neu in der Klasse, besucht Ellen im Krankenhaus und gewährt ihr ein wenig Zuneigung. Das etwas verhuschte Mädchen ist fasziniert, aber auch zunehmend irritiert, denn je stärker sie sich zu Isa hingezogen fühlt, um so schroffer weist die junge Frau, die sich zudem als notorische Lügnerin entpuppt, sie zurück.

Mischung aus tiefer Verletztheit und kühler Verachtung

Das Zusammenspiel der beiden jungen Darstellerinnen ist von fesselnder Intensität, wobei Dwyer naturgemäß die reizvollere Rolle hat. Gerade die Mischung aus tiefer Verletztheit und kühler Verachtung, die sie auch den hingerissenen Leiter der Theater AG (Matthias Koeberlin) spüren lässt, machen ihr Spiel so faszinierend. Dass sie auf Ellen geradezu magnetisierend wirkt, ist auf Anhieb nachvollziehbar. Das Personal im Hintergrund ist nicht weniger stimmig besetzt (Barbara Auer und August Zirner als Ellens Eltern, Sandra Borgmann als Isas große Schwester, Denis Moschitto als Ellens Objekt einer zaghaften ersten Verliebtheit). Maris Pfeiffer, ohnehin eine Regisseurin mit viel Faible für Frauenfiguren, deren Leben aus der Spur gerät ("Küss mich!", "Eine außergewöhnliche Affäre"), führt gerade die jungen Schauspielerinnen zu großer Leistung. Schade nur, dass die Geschichte keinen richtigen Schluss zu bieten hat und einfach aufhört, nachdem Ellens Verzweiflung fast zu einer Tragödie geführt hätte.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).