Patricia Riekel, Chefredakteurin der "Bunten", hat ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Auch ein Society-Magazin habe das Recht auf investigative Recherche, wird sie im aktuellen "Spiegel" zitiert.
Was Riekel unter investigativem Journalismus versteht, ist leider nichts anderes als übelstes Paparazzitum. Monatelang ließ das Magazin offenbar Prominente wie Franz Müntefering, Oskar Lafontaine und Horst Seehofer beschatten. Was die "Bunte" enthüllen wollte waren Affären. Leider keine Staatsaffären, sondern ganz private Affären oder Beziehungen.
200.000 Euro
Über 200.000 Euro hat "Bunte" offenbar dafür ausgegeben, an Fotos zu kommen, die die Politiker in trauter Zweisamkeit zeigen. Das ist - mit Verlaub - ziemlich ekelhaft. Was "Bunte" nämlich antrieb war keinesfalls der auch von der Verfassung geschützte Auftrag als vierte Gewalt, also Kontrolle der Mächtigen. Es ging einfach nur um Sensation. Geschichten über das Persönliche von Persönlichkeiten, die die Leser von "Bunte" interessieren, sie aber in der Regel nichts angehen.
Diese Art von Investigativjournalismus, der keiner ist, mag einen eigenen Wert haben. Es ist ein Marktwert, weil sich die Geschichten verkaufen lassen. Schuld daran sind wir alle, die wir uns an den privaten Eskapaden der Promis ergötzen und sensationslüstern sind. "Bunte" verkauft sich, weil der Mensch einen Hang zu den menschlichen Dramen anderer hat. Dieser Hang ist menschlich, aber wir alle täten gut daran, ihm nicht allzu oft nachzugeben.
Kein gesellschaftlicher Mehrwert
Was unser Hang zu Sensationen schafft, ist kein gesellschaftlicher oder kultureller Mehrwert und darf daher nicht mit investigativem Journalismus verwechselt werden. Prominente haben nicht nur das Recht, dass bestimmte Fotos von ihnen nicht gedruckt werden (dieses Recht setzen sie mit Hilfe findiger Anwälte auch oft durch), sie haben auch das Recht, unbeobachtet zu sein; Privatmensch zu sein. Dass Prominente dazu neigen, ihr Privates gelegentlich zu instrumentalisieren und damit die Beobachtung durch die Medien erst provozieren, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Doch der Fall "Bunte" ist auch ein Fall "Stern". Mal abgesehen davon, dass das Magazin selbst Fotokunde der CMK gewesen ist und damit unter Umständen genau die Praxis befördert hat, die es nun kritisiert, beruht die angebliche Enthüllung auf ziemlich vielen Konjunktiven. So soll geplant gewesen sein, unter Münteferings Fußmatte einen Bewegungssensor zu installieren oder eine Überwachungskamera auf einem Hausboot in der Nähe von Lafontaines Wohnung anzubringen. Pläne, die nicht umgesetzt werden, sind aber nicht unbedingt skandalös. Regelrecht peinlich könnte es für den "Stern" sogar werden, wenn sich bestätigt, was die CMK behauptet, nämlich dass es sich bei zwei vom "Stern" präsentierten Arbeitsprotokollen der CMK um Fälschungen handelt - wobei man eher den Einruck hat, es handelt sich hier um eine Vorwärtsverteidigung der CMK.
Fragwürdige Methoden
Dennoch ist es spannend, wie der "Stern" Methoden der "Bunten", an Informationen zu kommen, anprangert, während die Methoden des "Stern", genau diese Methoden zu enthüllen, ebenfalls fragwürdig sind. Zwar äußert sich der "Stern" auf Nachfrage nicht, aber es drängt sich der Verdacht auf, dass der "Stern" zwei Exmitarbeiter der CMK dafür bezahlt hat, über die Vorgänge bei der Agentur zu berichten. Ein solcher Scheckbuchjournalismus - so es ihn gegeben hat - ist nicht prinzipiell problematisch. Im Sinne einer "höheren Sache" kann es statthaft sein, Informanten zu bezahlen. Aber wenn man die Schatulle aufmacht, muss sehr genau geprüft werden, von wem die Informationen kommen, welche eigenen Interessen ein Informant verfolgt und vor allem, wie valide die Informationen tatsächlich sind. Der "Stern" hat angekündigt, in seiner kommenden Ausgabe weitere Details zu den Vorgängen zu veröffentlichen. Man kann nur hoffen, dass das Magazin sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Die Anwälte der "Bunten" könnten mit ihrer geplanten Unterlassungsklage sonst sehr schnell Erfolg haben.
Putziger Münte
Regelrecht putzig ist übrigens, wie sich Franz Müntefering als Betroffener zu dem Fall äußerte. "Ich bin neugierig, ob es in der Medienwelt unsere Landes einen Ehrenkodex gibt, der zu einer öffentlich nachvollziehbaren Behandlung des Vorgangs und vielleicht sogar zu Konsequenzen für zukünftiges Verhalten führt oder weshalb das nicht für nötig gehalten wird." Die Neugier kann befriedigt werden. Diesen Ehrenkodex gibt sich, er nennt sich Pressekodex und existiert schon seit Jahrzehnten. Eigentlich komisch, dass der ehemalige SPD-Vorsitzende ihn nicht zu kennen scheint.
Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur.