Marktkirche: Gläubige verabschieden sich von Margot Käßmann
Rund 500 Hannoveraner waren am Sonntag in die Marktkirche gekommen, um Abschied von Margot Käßmann zu nehmen. Erstmals seit ihrem Rücktritt wandte sich Käßmann mit einem "Wort an die Gemeinden" selbst an die Gläubigen. Der Text wurde in vielen Kirchen verlesen.
28.02.2010
Von Ulrike Millhahn

"Liebe hannoversche Landeskirche", lautet ein Eintrag im Gästebuch der Marktkirche in Hannover: "Bitte wählen Sie Frau Käßmann wieder zu Ihrer Landesbischöfin." Dieser Wunsch ist am Sonntag nach dem Gottesdienst immer wieder zu hören. In der gotischen Backsteinkirche in der Altstadt, die traditionell als bischöfliche Predigtkirche gilt, hat Margot Käßmann ihre Kerngemeinde. Rund 500 Hannoveraner wollen dort Abschied von ihrer Bischöfin nehmen. Sie war am Mittwoch nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss von ihren Ämtern zurückgetreten.

Als der Geistliche Vizepräsident des Landeskirchenamtes, Arend de Vries, ein "Wort an die Gemeinden" verliest, haben viele Tränen in den Augen. Erstmals nach ihrem Rücktritt wendet sich auch Käßmann in diesem Text der Kirchenleitung an die Christinnen und Christen in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Er wird auf allen 1.500 Kanzeln zwischen Göttingen und Cuxhaven vorgetragen.

Entscheidung völlig unnötig

"Ich danke allen Menschen in den Gemeinden unserer Landeskirche, die mich so wunderbar getragen und gestützt und für mich gebetet haben", schreibt die 51-jährige Theologin. Es tue ihr leid, dass sie mit ihrem Rücktritt viele enttäusche. Sie sei mehr als zehn Jahre mit Leib und Seele Bischöfin gewesen und habe all ihre Kraft in diese Aufgabe gegeben.

"Ich will es immer noch nicht glauben", sagt die 38-jährige Doris Schneider, die ihre beiden Kinder mit in den Gottesdienst genommen hat: "Sie hinterlässt eine Lücke, die so nie wieder geschlossen werden kann." Auch Thomas Oeters (27) schüttelt den Kopf. Er ist zum ersten Mal nach der Gedenkfeier für Nationaltorwart Robert Enke Mitte November wieder in der Marktkirche: "Die Bischöfin hat uns damals mit ihrer Predigt so viel Mut gemacht." Er schluckt: "Ihre Entscheidung ist nachvollziehbar, aber völlig unnötig."

Bei der Gedenkfeier nach dem Suizid des Fußballstars hatte Käßmann einen Satz zitiert, der sie - wie sie oft erzählte - in schwierigen Lebenssituationen immer begleitet hat: "Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand." Dieser Satz stand auch am Ende ihrer Rücktrittserklärung. Das aus einem Kirchenlied stammende Zitat zieht sich wie ein roter Faden durch den Gottesdienst: "Gott, lass uns nicht verzagen. Wir bitten dich, sei du bei Margot Käßmann, die nicht tiefer gefallen ist, als in Gottes Hand", heißt es auch in den Fürbitten.

Rahmen für spürbare Traurigkeit

Vizepräsident de Vries und Marktkirchen-Pastorin Hanna Kreisel-Liebermann versuchen, der spürbaren Traurigkeit einen angemessenen Rahmen zu geben. Das Wort "Pastor" bedeutet "Hirte", erläutert Kreisel-Liebermann in ihrer Predigt. Eine Bischöfin sei demzufolge eine Art Oberhirtin: "Und so stimmt das Bild, dass sich etliche von uns wie verlorene Schafe fühlen, weil die Hirtin ihren Bischofsstab niedergelegt hat."

Die Landeskirche möchte ihre ehemalige Landesbischöfin auch noch würdig verabschieden, sagt de Vries nach dem Gottesdienst. Doch noch sei nicht die Zeit dafür. Mehr als 10.000 E-Mails sind bisher seit Käßmanns Rücktritt bei der Landeskirche eingegangen. Auch in der Marktkirche bildet sich eine Schlange vor dem Podest mit dem Gästebuch. Das Bedürfnis, der beliebten Theologin den Rücken zu stärken, ist groß. So wie bei Ines Schulz, die schreibt: "Als Katholikin waren Sie meine Bischöfin."

epd