Öffentlicher Dienst: Mehr Geld und Chance für Azubis
Trotz leerer Kassen bei Bund und Kommunen erhalten die Angestellten des öffentlichen Dienstes nach der Tarifeinigung vom Wochenende mehr Geld und bessere Altersteilzeit-Regelungen.

Arbeitgeber und Gewerkschaften akzeptierten in der Nacht zum Sonntag in Potsdam im Wesentlichen den Schlichterspruch. Beide Seiten werteten das Ergebnis für die rund zwei Millionen Angestellten beim Bund und in den Kommunen nach vierzehnstündigen Verhandlungen als Kompromiss, der angesichts von Wirtschaftskrise und desolater öffentlicher Haushaltslage gerade noch tragbar sei.

Die Gehälter werden bis Sommer 2011 stufenweise um 2,3 Prozent angehoben. Auch gibt es im neuen Tarifvertrag Regelungen für eine Altersteilzeit für Beschäftigte ab 60 sowie eine befristete Übernahmegarantie für Auszubildende nach erfolgreicher Prüfung.

Übertragung für Beamte angestrebt

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) strebt jetzt die "zeitgleiche" Übertragung des Tarifergebnis auf die 360.000 Beamten des Bundes an, ebenso auch auf Soldaten und Pensionäre. Der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, sagte, der Abschluss bedeute für die Kommunen erhebliche Lasten. Positiv sei aber die vereinbarte Laufzeit von 26 Monaten, die Planungssicherheit bringe, ebenso der Ausbau der leistungsorientierten Bezahlung.

De Maizière, der für den Bund die Verhandlungen führte, sagte, er halte das Ergebnis für einen "vertretbaren Gesamtkompromiss", der die öffentlichen Kassen nicht über Gebühr belaste. Laut Böhle kostet das Tarifergebnis allein die Kommunen und ihre Unternehmen im laufenden Jahr rund 1,1 Milliarden Euro, im nächsten Jahr weitere 1,3 Milliarden Euro.

Vor allem die kommunalen Arbeitgeber hatten sich in den langwierigen Verhandlungen schwergetan, den in der vergangenen Woche erzielten Schlichterspruch zu akzeptieren. Sie verwiesen auf die leeren Kassen der Gemeinden und die zugleich drohenden neuen Einnahmeausfälle durch die Steuerpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Böhle betonte: "Unser Grundproblem bleibt die Unterfinanzierung der Kommunen, die immer mehr zerrieben werden zwischen steigenden Ausgaben und sinkenden Einnahmen." Mit diesem Tarifabschluss gingen die Kommunen daher an ihre Grenzen.

Schwierige Verhandlungen

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sagte, die Verhandlungen seien "ausgesprochen schwierig" gewesen. Das Ergebnis sei kein Grund zum Jubeln, aber in dieser Situation auch nicht selbstverständlich. "Es ist zwar mehr, als nach der Festlegung der Arbeitgeber in den Verhandlungen zu erwarten war, aber es ist weniger, als viele erhofft hatten und was auch notwendig gewesen wäre."

Der Verhandlungsführer der Tarifunion des Beamtenbundes dbb, Frank Stöhr, sagte, entscheidend sei, dass die Beschäftigten Anschluss an die allgemeine Lohnentwicklung bekommen "und kein Sonderopfer für die klammen öffentlichen Haushalte bringen müssen". Stöhr: "Es wäre ungerecht und unsozial gewesen, die Kollegen für Fehler bluten zu lassen, die nicht sie, sondern Banker begangen haben."

Der Tarifabschluss sieht vor, dass die Gehälter zunächst rückwirkend zum 1. Januar um 1,2 Prozent erhöht werden. Als "soziale Komponente" wird im Januar 2011 eine Einmalzahlung von 240 Euro gewährt. Ein weiterer kleiner Sprung von 0,6 Prozent ist ab Januar 2011 vorgesehen, eine dritte Erhöhung um weitere 0,5 Prozent folgt dann zum 1. August 2011.

Sonderregelung für Krankenhäuser und Nahverkehr

Für Krankenhäuser und Nahverkehr wurden Sonderregelungen vereinbart. Dort erhalten die Beschäftigten rückwirkend ab 1. Januar 2,1 Prozent mehr. Weitere 1,6 Prozent kommen zum 1. Januar 2011 hinzu. Die Tarifparteien vereinbarten zudem, die festgefahrenen Gespräche über die seit 2005 strittige Entgeltordnung, mit der die Beschäftigten eingruppiert werden, wieder in Gang zu bringen.

Nach Darstellung von Verdi belaufen sich die mit dem Tarifabschluss erzielten Verbesserungen für die Beschäftigten auf ein Volumen von 3,5 Prozent der gesamten Lohnsumme. Die Gewerkschaften waren im Januar mit Forderungen im Gesamtvolumen von 5 Prozent in die Gespräche gegangen, hatten diese dann aber auf 3,5 Prozent reduziert. Die Arbeitgeber hatten nach langem Abwarten 1,5 Prozent angeboten.

Da die Tarifparteien am Verhandlungstisch nicht weiterkamen, hatten sie - wie schon 2008 - die Gespräche für gescheitert erklärt und die Schlichtung durch den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) und den ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD), angerufen.

dpa