Der Sitzungsausschluss ist die schärfste Waffe
Der Ausschluss von Sitzungen ist die schärfste Disziplinarmaßnahme des Parlaments. Die Sanktion setzt eine "gröbliche Verletzung der Ordnung" - wie etwa üble Beschimpfungen des Präsidenten - im Plenarsaal voraus.
26.02.2010
Von Joachim Schucht

Vom einem Sitzungsausschluss wurde bisher relativ sparsam Gebrauch gemacht. Seit 1949 wurde bis zu diesem Freitag lediglich 23 Abgeordneten vorübergehend die Teilnahme untersagt. Seit 1990 wurde kein Ausschluss mehr verhängt. Als letzte Abgeordnete traf es damals Jutta Oesterle-Schwerin von den Grünen.

Ein Ausschluss gilt zunächst für den Rest der Sitzung und kann bis auf maximal 30 Tage verlängert werden. Laut Geschäftsordnung muss der Abgeordnete den Plenarsaal unverzüglich verlassen. Bei einer Weigerung kann der Präsident aufgrund seines Hausrechts und der Polizeigewalt den Abgeordneten zwangsweise entfernen lassen. Ausgeschlossene Parlamentarier dürfen aber auf der Besuchertribüne Sitzungen verfolgen. Ein Ausschluss hat auch eine Kürzung der Kostenpauschale zur Folge. Mildere Ordnungsmaßnahmen des Parlaments sind Rügen, Ordnungsrufe und Wortentziehungen.

Zu einem spektakulären Ausschluss kam es 1984, als die beiden Grünen-Abgeordneten Joschka Fischer und Jürgen Reents für zwei Sitzungen aus dem Plenarsaal verbannt wurden. Der spätere Außenminister Fischer hatte Parlamentspräsident Richard Stücklen (CSU) zugerufen: "Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub."

Am häufigsten wurde in der Frühzeit der Bonner Republik von Ausschlüssen Gebrauch gemacht. Den ersten Ausschluss - gleich für 20 Sitzungstage - traf 1949 Kurt Schumacher. Der SPD-Fraktionschef hatte von der Rednertribüne aus den CDU-Regierungschef Konrad Adenauer als "Kanzler der Alliierten" beschimpft.

Schumachers späterer Nachfolger Herbert Wehner durfte nach rhetorischen Ausfällen für zehn Tage nicht ins Plenum kommen. Die "Höchststrafe" von 30 Sitzungstagen bekam als bislang einziger Abgeordneter überhaupt 1950 der KPD-Parlamentarier Walter Fisch wegen Pöbeleien. Kurz zuvor waren vier andere KPD-Abgeordnete für 20 Sitzungen ausgeschlossen worden.

dpa