Plötzlich ein Lächeln, ein Händedruck, dann war der Kontakt wieder da. "Von diesem Moment an haben wir wieder Verbindung aufgenommen", erinnert sich Christel Stark. Vor einem knappen Jahr absolvierte die 84-jährige Ludwigshafenerin ein Seminar, um den richtigen Umgang mit Altersverwirrten zu erlernen. Der Grund dafür war schmerzlich: Ihre etwas jüngere Freundin war an Demenz erkrankt. "Ich war rat- und hilflos, ich habe sie plötzlich nicht mehr erreicht."
Einfühlen und Mitfühlen
Ein halbes Menschenleben hatten die frühere Lehrerin und ihre beste Freundin eine innige Freundschaft gepflegt. Christel Stark wollte sich nicht damit abfinden, dass sie ihre Freundin immer mehr verlor, bis der Zugang zu ihr ganz verschlossen war. Der Zufall kam ihr zu Hilfe: Sie erfuhr vom Validationszentrum in Bad Dürkheim, das eine spezielle Kommunikationsmethode mit altersverwirrten Menschen lehrt.
"Validation" soll den Demenzkranken helfen, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Wertschätzung und Respekt stehen dabei im Mittelpunkt. Mit der von der US-amerikanischen Alterswissenschaftlerin Naomi Feil entwickelten Methode könne sich auf der Gefühlsebene eine neue Kommunikation mit Desorientierten entwickeln. Das Einfühlen und das Mitfühlen soll bei den Betroffenen zu Vertrauen führen, Angstzustände verringern und ihre Würde wieder herstellen. Mit Einfühlungsvermögen und verbalen und nonverbalen Kommunikationstechniken sei es möglich, in die Gefühlswelt altersverwirrter Menschen vorzudringen, sagt die Leiterin des Validationszentrums in Bad Dürkheim, Hedwig Neu.
Getrieben von einer inneren Unruhe
"Mit dem Thema Demenz hatte ich bisher nichts zu tun gehabt", erzählt Christel Stark. Es sei daher richtig gewesen, die anfänglichen Berührungsängste zu überwinden und den Umgang mit Demenzkranken zu trainieren. "Man muss den anderen erspüren", berichtet die Seniorin, die nun als "Validationsanwenderin" in einem Ludwigshafener Altenpflegeheim drei demente Bewohner einige Stunden in der Woche begleitet.
Der größte Fehler sei es, Demenzkranke nicht ernst zu nehmen, ihnen den eigenen Willen aufzwingen zu wollen. Oft seien sie getrieben von einer inneren Unruhe und versuchten, verdrängte Bedürfnisse und nicht gelöste Konflikte ihres Lebens aufzuarbeiten. Eine seelische Entlastung könne ihnen bringen, wenn man auf ihre Wünsche und Gefühle eingeht, diese im Rollenspiel "spiegelt", sagt Christel Stark.
Dazu sei es nötig, sich selbst zurückzunehmen. "Man darf den Demenzkranken nicht verbessern oder die Gesprächsführung übernehmen." Dies könne sie erschrecken, manchmal reagierten sie auch aggressiv. Als ihre Freundin sie bei der Hand nahm, um im Zimmer umherzugehen, ließ sie es gewähren, erzählt die Seniorin. Als sie ein längst vergessen geglaubtes Kinderlied sang, sang sie es mit.
"Morgen kannst du das sein, die da sitzt"
"Ein Stück Liebe möchte ich weitergeben", nennt die 84-jährige Christel Stark den Grund, weshalb sie in hohem Alter begann, sich in demenzkranke Menschen hineinzufühlen. Die Bemühungen um die Kranken seien keine Einbahnstraße. "Es kommt etwas zurück. Plötzlich leuchtet etwas auf von der alten Persönlichkeit." Für viele Demenzkranke, die ihren inneren Frieden gefunden haben, seien weniger Medikamente und auch pflegerische Zwangsmaßnahmen nötig.
Das Thema Demenz sollten die Menschen im Blick auf die alternde Gesellschaft nicht verdrängen. "Man muss sich damit auseinandersetzen", appelliert Christel Stark. Von ihrer in einem Altenpflegeheim lebenden Freundin konnte sie schließlich "Abschied" nehmen. Angst, vielleicht selbst einmal dement und ein Pflegefall zu werden, hat sie nicht mehr. "Morgen kannst du das sein, die da sitzt", sagt sie sich. "Aber ich weiß, es wird jemand für mich da sein."