Vater und Mutter Abu Rahmah blicken mit ernsten Gesichtern in die Kamera. Gleich wird sie der Korrespondent des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira zum Tod ihres Sohnes befragen. Seit der damals 31-jährige Bassem vor knapp einem Jahr bei einer Demonstration gegen den israelischen Grenzzaun starb, hat die Familie wieder und wieder die gleichen Fragen beantwortet. Stolz sei sie auf ihren Sohn, sagt die Mutter. "Er ist jetzt ein Held." Ebenso wie Bassem ist auch sein Heimatdorf Bil'in im Westjordanland zum Symbol des weitgehend friedlichen palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung geworden.
Kleiner Erfolg
Seit fünf Jahren demonstrieren in Bil'in Palästinenser und linke Israelis gegen den 2002 errichteten Zaun, der Israel vor Selbstmordattentätern aus dem Westjordanland schützen soll. Der Sicherheitszaun schneidet die Palästinenser von ihrer Lebensgrundlage ab. Knapp 60 Prozent des Landes, das den Olivenbauern aus Bil'in gehört, liegt auf der israelischen Seite des Zauns.
Jeden Freitag ziehen die Demonstranten zum Sicherheitswall. Sie skandieren Parolen gegen die Besatzung und rütteln am Maschendraht. Kürzlich haben sie einen Erfolg erzielt. Mehr als zwei Jahre nach einem Urteil des obersten israelischen Zivilgerichtes, laut dem der Verlauf des Grenzzauns verändert werden muss, hat die israelische Armee mit den Bauarbeiten für eine neue Route begonnen. Etwa 65 Hektar ihres Landes werden die Bauern zurückbekommen. 130 Hektar verbleiben auch nach der Umsetzung der Mauer auf der israelischer Seite des Zauns.
"Unser Protest ist friedlich"
Zum Teil ist das ehemals palästinensische Land bereits mit Häusern einer israelischen Siedlung bebaut. "Wir haben einen hohen Preis für diese Entscheidung bezahlt", sagt Mohammed Katib vom Bil'in Popular Committee. "1.200 Menschen sind bei den Demonstrationen verletzt worden, einer ist gestorben." 85 Aktivisten wurden seit Beginn der Proteste verhaftet. Die Versetzung der Mauer ist für die Palästinenser nur ein Teilerfolg. Sie wollen, dass der Zaun verschwindet, ebenso wie die auf ihrem Land gebaute jüdische Siedlung.
"Unser Protest ist friedlich", sagt Ratib Abu Rahmah, ein Onkel des Verstorbenen. Armeesprecherin Avital Leibovitz widerspricht: "Gegen einen friedlichen Protest hätten wir nichts einzuwenden", erklärt sie. "In den letzten zwei Jahren wurden in Bil'in über hundert Soldaten verletzt." Dass palästinensische Jugendliche Steine auf die israelischen Soldaten schleudern, weiß auch Abu Rahmah. Er wiegelt ab: "Das ist eine natürliche Reaktion auf die Gewalt der Armee." Die israelische Armee löst die Proteste Woche für Woche mit Tränengasraketen, Wasserwerfern, Rauchbomben und Gummigeschossen auf.
Der Protest muss weiter gehen
Eine Tränengasrakete traf Bassem Abu Rahmah im April 2009 vor die Brust. Ein Video auf der Internetplattform YouTube zeigt, wie der Mann bewusstlos zusammenbricht. Wenig später ist er tot. "Die Proteste waren an diesem Tag besonders gewaltsam", sagt Armeesprecherin Leibovitz. Die Soldaten müssten ihre Waffen an das Ausmaß der Gewalt der Demonstranten anpassen. "Leider sind diese Maßnahmen manchmal tödlich." Eine interne Untersuchung zu dem Vorfall gab es nicht.
Obwohl sie ihren Sohn verloren hat, denkt Subhiyeh Rahmah nicht daran, den Widerstand aufzugeben. Das sei der Preis, den sie für ihr Heimatland bezahlen müsse, sagt die Frau mit dem geblümten Kopftuch. Der Protest müsse weiter gehen - solange, bis die israelische Besatzung ein Ende hat.