Meinungsfreiheit, unbedingt. Warum Brender poltern darf
Nikolaus Brender hat über eine Spitzelmentalität im ZDF geklagt und sich damit Kritik auch von seinem Intendanten Schächter eingefangen. Zu Unrecht, findet Michael Ridder.
26.02.2010
Von Michael Ridder

Was wissen Sie eigentlich über Marco Wanderwitz? Nicht viel? Die Fakten gibt es auf seiner Homepage: Wanderwitz ist 34 Jahre alt und sitzt für die CDU im Deutschen Bundestag, dort vertritt er den Wahlkreis Chemnitzer Umland/Erzgebirgskreis II. Verheiratet, drei Töchter, evangelisch, Rechtsanwalt. "Ich denke, dass man mit mir ganz gut auskommen kann, ich ein geselliger Mensch bin", schreibt er in der Rubrik "Persönliches". Außerdem: "Unsere Heimat ist ein schöner Flecken Erde."

Im Medienausschuss des Bundestags ist Wanderwitz der CDU-Obmann. In dieser Funktion hatte er am Montag einen großen Auftritt, denn "Bild" hatte ihn zu dem "Spiegel"-Interview des scheidenden ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender befragt. Darin äußerte sich Brender kritisch über ZDF-Redakteure, die den Parteien als "Inoffizielle Mitarbeiter" Senderinterna lieferten. Wanderwitz empfand dies als "eine Form von Rufschädigung", die Folgen haben müsse: Der ZDF-Verwaltungsrat solle die Verträge prüfen und dabei auch über "Konsequenzen für die Pensionszahlen" nachdenken, empfahl der Abgeordnete.

Ruf des Senders

Wie schön, dass sich die CDU so sehr mit dem ZDF identifiziert und sich um den Ruf des Senders sorgt, obwohl doch sie selbst es war, die diesen gründlich ruiniert hat. Erst wird jemand ohne triftigen Grund aus dem Amt gejagt, dann wird ihm auch noch das Recht auf Meinungsfreiheit aberkannt, schließlich sein Anspruch auf Pensionszahlungen infrage gestellt. Brender muss sich im Angesicht solcher Volksvertreter wie ein kurdischer Redakteur fühlen, der vor einem gnadenlosen türkischen Richter gelandet ist.

Einige Stunden später ließ Markus Schächter eine Pressemitteilung verbreiten. Wer nun erwartet hatte, dass sich der ZDF-Intendant mit seinem Chefredakteur solidarisiert, sah sich bitter getäuscht: Schächter maßregelte Brender in ungewöhnlich scharfer Form und wies die Interviewäußerungen als falsch und inakzeptabel zurück. Brender habe zu Unrecht seine Kollegen geohrfeigt, außerdem hätte er doch als Chefredakteur die behaupteten Missstände selbst abstellen können, kritisierte der Intendant.

Oberlehrerhafte Zurechtweisung

Mit Schächters oberlehrerhafter Zurechtweisung nimmt der "Fall Brender" eine besonders traurige Wendung. Wenn schon die CDU nicht in der Lage ist, die Äußerungen Brenders einfach mal hinzunehmen, so hätte es wenigstens der Intendant tun müssen. Schächters vermeintliche Verteidigung der Ehre von ZDF-Redakteuren war fehl am Platze: zum einen, weil Brender in dem Interview betonte hatte, es seien nur wenige Kollegen, die so handelten. Zum anderen, weil Schächter ganz genau weiß, wie sehr politische Einflüsse permanent die Unabhängigkeit des ZDF bedrohen. Oder erinnert er sich etwa nicht mehr an die peinlichen Umstände seiner eigenen Wahl im Jahr 2002?

Schächter hat mit seiner Erklärung das völlig falsche Signal gegeben, weil er Roland Koch und Konsorten eine nachträgliche Rechtfertigung für die Abwahl Brenders liefert. Dabei werden in paradoxer Volte Ursache und Wirkung verwechselt: Die Arbeit der ZDF-Redakteure wird nicht von ihrem Chefredakteur Brender belastet, sondern von einem CDU-Ministerpräsidenten, der auch vor unverhohlenen Drohgebärden gegenüber kritischen Mitarbeitern nicht zurückschreckt. Dass Schächter Koch gewähren ließ, als dieser sein Vorhaben durch den ZDF-Verwaltungsrat paukte, dass er nicht zurücktrat und nicht vors Verwaltungsgericht zog: alles mit guten Gründen zu rechtfertigen. Seine Erklärung vom Montag jedoch nicht.

Heimatsender ZDF

Brender wusste sicherlich, was er tat, als er mit den "Spiegel"-Redakteuren sprach. Er ist keiner der wohlabwägenden Einerseits-Andererseits-Journalisten, er spitzt gerne zu, poltert auch gelegentlich. Möglicherweise ist er mit seinem Stasivergleich übers Ziel hinausgeschossen. Warum aber kann man in diesem Land nicht auch mal Meinungsäußerungen akzeptieren, die nicht zu 100 Prozent den Etiketten entsprechen? Zumal wenn sich da jemand äußert, dem Unrecht widerfahren ist? Und warum müssen auch noch SPD-Vertreter wie Kurt Beck und Marc Jan Eumann hinterherklappern und erklären, Brenders Aussagen seien unzutreffend?

Für die beiden großen Parteien ist ihr Heimatsender ZDF offenbar ein schöner Flecken Erde, den bloß kein unbequemer Journalist besudeln soll. Dabei wird immer klarer: Die Rettung für den Lerchenberg kann nur aus Karlsruhe kommen.


Michael Ridder ist Redakteur beim Fachdienst epd medien. Sein Text erschien dort in der Rubrik "Tagebuch".