Bibelwerke: Gottes Wort im "Stehenden Satz"
9,5 Kilogramm wog die Bibel im 18. Jahrhundert und sie war teuer. Vor 300 Jahren begann Carl Hildebrand Freiherr von Canstein, preiswerte Bibeln unters Volk zu bringen.
26.02.2010
Von Corinna Buschow

Irgendwann muss dem Prinzen von Anhalt-Zerbst, Anton Günther, seine Bibel zur Last geworden sein. Ganze 9,5 Kilogramm wog das Buch, das der fromme Prinz auch auf seine Feldzüge mitschleppte - ein damals durchaus übliches Gewicht. Im Jahr 1710 trennte er sich von dem in Leder gebundenen Kunstwerk alten Druckerhandwerks und schenkte es den Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale für das Archiv. Denn in den Stiftungen wurden seit neuestem leichte und preiswerte Bibeln gedruckt.

"Gottes Wort den Armen zur Erbauung"

Idee und Verwirklichung dieser neuen Bibel-Massenproduktion gingen auf Carl Hildebrandt Freiherr von Canstein (1667-1719) zurück, in dessen Tradition sich noch heute Bibelwerke und Bibelzentren in Deutschland verstehen. Im Blick hatte von Canstein dabei weniger adlige Reisende, sondern die normale Bevölkerung, für die auch gut 250 Jahre nach Johannes Gutenbergs revolutionärer Buchdruckerfindung eine Bibel immer noch unerschwinglich war.

In Zusammenarbeit mit dem Gründer der Franckeschen Stiftungen, August Hermann Francke (1663-1727), der in Halle eine Schulstadt mit Waisenhaus aufgebaut hatte, veröffentlichte von Canstein am 1. März 1710 einen "ohnmaßgeblichen Vorschlag" dazu, "wie Gottes Wort den Armen zur Erbauung um einen geringen Preiss in die Hände zu bringen" sei.

Neues Testament für zwei Silbergroschen

Zur Verwirklichung nutzte er das aus Holland stammende Druckverfahren im "Stehenden Satz". Anders als mit Gutenbergs beweglichen Lettern wurden in dem Verfahren vor dem Druck alle Seiten des Buches auf Platten gesetzt. In der Anschaffung war diese Technik zwar teurer. Langfristig konnten aber die hohen Kosten für die Setzer gespart und die Bibeln günstiger produziert werden.

Im Jahr 1712 war schließlich das Neue Testament für zwei Silbergroschen erhältlich. Das umfangreichere Alte Testament und damit die gesamte Bibel erschienen fünf Jahre später, im Jahr 1717, in der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. Was dort vor 300 Jahren begann, ist heute noch Auftrag der Bibelwerke in Deutschland.

"Verlorene Schicht" im Osten Deutschlands

Neben der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart als Hauptverlag für Bibeln in verschiedenen Übersetzungen und Ausführungen wollen sie Bibelwissen in gläubiger und atheistischer Umwelt vermitteln. "Noch immer geben wir auch Bibeln an Menschen und Institutionen, die es sich nicht leisten können", sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Bibelwerkes im Rheinland mit Sitz in Wuppertal, Christoph Melchior. Dazu gehörten Justizvollzugsanstalten, Krankenhäuser und Schulen. In Deutschland lebende Ausländer können vom Bibelwerk Übersetzungen in ihrer Sprache bekommen.

In Halle ist dagegen die Beschaffung des "Buches der Bücher" in den Hintergrund getreten. "Wir müssen die Bibel vielmehr wieder in die Köpfe kriegen", sagt der Leiter des "Canstein Bibelzentrums Halle", Walter Martin Rehahn. Gerade im Osten Deutschlands gebe es eine "verlorene Schicht", die mit der Bibel nie in Berührung gekommen sei.

Gezielte Jugendbibeln

Aber auch in der alten Bundesrepublik registriert sein Kollege Melchior zunehmendes Unwissen. "Vor zehn Jahren konnte ich in Konfirmandengruppen 'Mose' sagen und sofort kamen die zehn Gebote oder der Auszug aus Ägypten", sagt er. Heute müsse er das in Schulen und Jugendgruppen, aber sogar auch in Konfirmandenkreisen erklären.

Mit gezielten Jugendbibeln versuchen einzelne Bibelprojekte deshalb, die junge Generation mit jugendgemäßer Sprache wieder an die Heilige Schrift heranzuführen. So gibt es eine "Volxbibel" und eine "Twitterbibel". Die Deutsche Bibelgesellschaft wiederum plant im Herbst die Veröffentlichung des Neuen Testaments als mit kurzen Sätzen verständliche "Basisbibel", kündigt der Lektor des Projekts, Markus Hartmann, an. Die vier Evangelien gebe es bereits in dieser Form.

epd