Gesundheitsdebatte mit Überstunde: In einer erhitzten Diskussion mit Vertretern beider Parteien hat US-Präsident Barack Obama am Donnerstag ausgelotet, ob und wie er seine Gesundheitsreform in letzter Minute vielleicht doch noch durchsetzen kann. "Beide Seiten stimmen darin überein, dass wir Reformen auf dem Krankenversicherungsmarkt brauchen", sagte Obama in seiner Abschlussbilanz. "Aber über die Einzelheiten gibt es viele Differenzen."
Auf einem rund siebeneinhalbstündigen "Gesundheitsgipfel" in Washington machten die Republikaner dabei vor allem deutlich, dass Obamas wichtigstes Reformvorhaben nur dann eine Chance habe, wenn es einen absoluten Neuanfang gibt. "Fangt wieder mit einem weißen Blatt Papier an und geht dann Schritt für Schritt vor, um zu sehen, wo wir zustimmen können", drängte der führende Republikaner im Senat, Mitch McConnell.
Republikaner gegen Regierungskontrolle über Gesundheitssystem
Der derzeitige Entwurf sei "kein Auto, dass man zurückruft und repariert", unterstrich auch der konservative Senator Lamar Alexander. Um mit dem Gesetz ganz von vorne anzufangen, hätten die Amerikaner keine Zeit, entgegnete die demokratische Sprecherin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi. "Viele von ihnen sind bereits am Ende." In einem leidenschaftlichen Appell rief Präsident Obama Demokraten und Republikaner daher zu überparteilicher Gemeinsamkeit auf. "Wir wissen alle, dass diese Reform dringend notwendig ist." Unglücklicherweise werde das Thema aber politisch ideologisiert. In seinem Resumée stellte Obama fest, es gebe viele Übereinstimmungen und viele Differenzen.
Die größte hatte zuvor der republikanische Abgeordnete Paul Ryan angeführt: "Wir denken nicht, dass die Regierung die Kontrolle (über die Krankenversicherung) haben sollte. Wir wollen, dass die Menschen diese Kontrolle selber haben." Die Konservativen stimmten völlig zu, dass das derzeitige Gesundheitssystem marode sei, doch die Reform- Entwürfe der Demokraten seien nicht die Antwort.
Plan B: "Abgespeckte Version" der Reform
Das mit Spannung erwartete Treffen - das live im Fernsehen übertragen wurde - galt als letzter Anlauf Obamas, sein wichtigstes Wahlversprechen doch noch durch den Kongress zu bringen. Das Thema stieß bei der Bevölkerung auf reges Interesse. Sämtliche große TV-Kanäle berichteten und die Amerikaner nutzten landesweit eifrig Internet-Foren.
Beide Lager hatten bereits vorab erhebliche Zweifel darüber geäußert, dass angesichts der verhärteten Debatte doch ein Durchbruch möglich sei. Das "Wall Street Journal" hatte berichtet, Obama habe im Falle des Scheiterns bereits einen "Plan B" im Auge - eine "abgespeckte Version" seiner Reform, die möglicherweise eher eine Mehrheit finden könnte. Dieser Plan sehe vor, dass statt 31 Millionen lediglich 15 Millionen Amerikaner zusätzlich versichert werden sollen. Die Kosten der Reform sollten damit auf ein Viertel gesenkt werden.
Im Parlament herrscht derzeit praktisch eine Patt-Situation. Zwar hatten beide Kammern zum Jahresende zwei unterschiedliche Gesetzesversionen verabschiedet. Doch seitdem verloren die Demokraten ihre 60-zu-40-Mehrheit im Senat, so dass sie die Blockadepolitik des Dauerredens (Filibuster) der Republikaner nicht mehr verhindern könnten. Seitdem gilt die Reform als akut gefährdet.