Käßmann-Rücktritt: Sie wird fehlen. Sehr!
Margot Käßmann ist zurückgetreten, weil sie einen schweren Fehler gemacht hat. Dies ändert nichts daran, dass sie eine gute Bischöfin war. Eine Frau, die die Kirche auch in Zukunft braucht.
24.02.2010
Von Ursula Ott

Es ist aus. Das Ringen um ihr Amt hat Margot Käßmann verloren. Jetzt gebührt ihr als erstes ­Respekt. Die Würde des Amtes und ihre persönliche Würde hat sie damit gewahrt, sie hat einen schweren Fehler nicht nur zugegeben und öffentlich bedauert, sondern sie hat die Konsequenz gezogen: Sie tritt von allen Ämtern zurück. Und damit hat sie viel Sympathie gewonnen. Die Frau will glaubwürdig und wahrhaftig bleiben, das hat sie immer wieder gezeigt. Bleib bei dem, was dein Herz dir rät - der Abschiedssatz aus ihrer Rede heute könnte die Überschrift über ihr Leben sein.

[reference:nid=13148]

Aber was für ein Jammer. Eine tödliche Krankheit hat sie überlebt, eine schmerzhafte Scheidung überstanden, eine der heftigsten Debatten in diesem Land über Krieg und Frieden hat sie ausgelöst. Große Themen, und immer ging sie gestärkt daraus hervor. Und mit ihr durften sich all jene stark fühlen, die Brüche im Leben zu verschmerzen hatten. Sieh an, es geht! Man kann wieder auf stehen, wenn man am Boden liegt. Und jetzt stolpert sie ausgerechnet über ein banales zweites Glas Wein oder Sekt. Oder was auch immer es gewesen sein mag, das haben die Erbsenzähler unter den Medienkollegen ja schon genau ausgerechnet. Für Journalisten ist die ganze Geschichte ein gefundenes Fressen, sie finden im Zeitalter von Google jedes noch so kleine Interview, jedes noch so banale Zitat. Und Käßmann hat viele Zitate hinter lassen, sehr viele.

Eine, die das Maul aufmacht

Wir haben sie dafür geliebt ­- endlich eine, die das Maul aufmacht! So dass wir sie auch verstehen! Eine die nicht ­ - wie die meisten Politiker ­- jedes herzhafte Zitat beim Autorisieren wieder heraus streicht. Endlich eine, die nicht einerseits und andererseits sagt, sondern eine, die Klartext redet. Nicht nur zu armen Kindern und pflegebedürftigen Alten. Sondern auch zum Krieg in Afghanistan ­ - hoppla, da sind aber ein paar Uniformierte erschrocken. Was will die denn, kleine zierliche Frau mit Teekerze. Sich jetzt in die großen Jungsspiele einmischen?

Damit ist es jetzt vorbei, tragischerweise wegen eines weiteren Rollenbruchs: Betrunken Auto fahren, das ist unter Männern schon mal eine Mutprobe. Und so gab es heute in den Medien auch noch sachtes Mitleid von den einschlägigen Trinkernaturen unter den Kolumnisten. Das wird ihr womöglich den Rest gegeben haben. Armes Mädchen, verträgt nix, und dann noch der ganze Stress! Ist doch nichts für schwache Frauen, der Job als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche. So konnte man zwischen manchen Zeilen lesen, und diese bigotte Art der Fürsorge ist das Schlimmste, was Frauen in öffentlichen Ämtern passieren kann.

Sie hat einen Fehler gemacht

Drum, noch mal zum Mitschreiben: sie hat einen Fehler gemacht. Das ändert aber nichts daran, dass sie bis zu jener Samstag nacht eine hervorragende Bischöfin war. Eine Hoffnungsträgerin für die evangelische Kirche in diesem Land. Sie wird fehlen. Sehr.

Und es ändert nichts an der Person Käßmann. Christen wissen, dass der Mensch mehr ist als seine Taten. Und dass kein Mensch vollkommen ist. Wer seine Schuld bekennt ­ - und das hat sie so massiv getan wie nur möglich - ­ dem wird verziehen. Sie wird wieder auf die Beine kommen, das hat sie schon mehrfach gezeigt. Und hoffentlich wird sie ihre Stimme wieder finden. Wir brauchen sie dringend.


Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon und Chefredakteurin von evangelisch.de.