Streit eskaliert: Bischöfe wollen Widerruf von Ministerin
Der Streit über Missbrauchsfälle an Jesuitenschulen spitzt sich weiter zu. Die katholischen Bischöfe reagierten empört auf Äußerungen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Die Ministerin habe in der ARD "maßlos gegen die katholischen Kirche polemisiert", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Dienstag in Freiburg. Er habe Leutheusser-Schnarrenberg nach ihrem Interview in den ARD-"Tagesthemen" vom Montagabend einen Brief geschrieben und sie aufgefordert, alle unwahren Passagen innerhalb von 24 Stunden zurückzunehmen. Das Justizministerium bestätigte den Eingang des Schreibens, wollten den Vorgang zunächst aber nicht kommentieren.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte eine lückenlose Aufklärung gefordert. "Ich erwarte, dass die Verantwortlichen der katholischen Kirche mit den Strafverfolgungsbehörden endlich konstruktiv zusammenarbeiten", sagte sie. Mit Blick auf Richtlinien der Kirche, wonach zuerst interne Voruntersuchungen eingeleitet werden müssen, verwies die Justizministerin darauf, dass Kindesmissbrauch ein Offizialdelikt sei: "Dann muss es eben andere Richtlinien geben", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Zudem lud sie die Vertreter der katholische Kirche zu einem Runden Tisch mit unabhängigen Vertretern ein, um die Aufarbeitung "dieser fürchterlichen Fälle" zu ermöglichen.

Telefonat mit Merkel

Zollitsch nahm unter anderem an Vorwürfen der Ministerin Anstoß, dass die Verantwortlichen in der Kirche sich nicht kooperativ genug verhielten. Die Staatsanwaltschaften sollten alle möglichen Einblicke in die Fälle bekommen, wie er bereits in seiner Stellungnahme vom Montag herausgestellt habe, sagte Zollitsch. Es gebe keinen kirchlichen Sonderweg bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen.

Im Gegenteil lege er "sehr viel Wert darauf, dass die Fälle aufgeklärt werden", so der Freiburger Erzbischof. Er wollte am Nachmittag auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonieren. Der Erzbischof hatte sich am Montag drei Wochen nach Bekanntwerden der ersten Fälle bei den Missbrauchsopfern entschuldigt. Mindestens 115 Kinder und Jugendliche sollen an katholischen Schulen in Deutschland seit den 50er Jahren missbraucht worden sein.

Offensiveren Umgang angemahnt

Der emeritierte katholische Theologieprofessor Hermann Häring äußerte trotz der Entschuldigung Zollitschs scharfe Kritik an der Haltung der katholischen Kirche. Die Bischöfe hätten das Ausmaß und die Grundproblematik der Situation noch nicht verstanden, sagte Häring im Deutschlandradio Kultur. Er verlangte einen offensiveren Umgang mit dem Thema Sexualität während der Priesterausbildung und eine Debatte über den Zölibat. Die Kirche benötige bindende Regelungen und unabhängige Klärungsstellen.

Auch die Reformbewegung "Wir sind Kirche" zeigte sich unzufrieden mit der Entschuldigung. Zollitsch habe "herzlos" eine Stellungnahme verlesen, sagte Sprecher Christian Weisner dem epd in Freiburg. Er habe die Opfer um Verzeihung gebeten, aber nicht um Vergebung. "Wir brauchen dringend externe Experten und nicht wieder nur innerkirchliche Verwaltungsleute, die sich mit dem Thema befassen", sagte Weisner.

Kritik an Beichtgeheimnis

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) forderte, dem Schutz des Kindeswohls einen höheren Stellenwert einzuräumen als dem Beichtgeheimnis für Geistliche. Die Kirchen müssen in Verdachtsfällen das Beichtgeheimnis einschränken, verlangte der Verband. Nötig sei auch eine rechtlich verbindliche Regelung, die strafrechtliche Ermittlungen an die Stelle harmloser Sanktionsmechanismen der Kirchen setze.

epd