Ermittlungsverfahren gegen Bischöfin Käßmann
Die Polizei ermittelt gegen die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, wegen Alkohol am Steuer.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden 1,54 Promille im Blut der 51-Jährigen festgestellt, nachdem Polizisten die Landesbischöfin am Samstagabend mit ihrem Dienstwagen in Hannover gestoppt hatten. Käßmann erklärte, sie habe einen schlimmen Fehler begangen. Ihr sei bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer sei: "Den rechtlichen Konsequenzen werde ich mich selbstverständlich stellen."

Kirche will Ergebnisse abwarten

Die Bischöfin sagte nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen am Dienstag alle öffentlichen Termine für die weitere Woche ab. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel, erläuterte, das Messergebnis der Blutuntersuchung könne einen schriftlichen Strafbefehl und eine Geldstrafe von einem Monatsgehalt nach sich ziehen. Zudem könne der hannoverschen Landesbischöfin für zehn bis zwölf Monate der Führerschein entzogen werden.

Der Sprecher der Landeskirche, Johannes Neukirch, sagte dem epd, seit 2008 gebe es kein Disziplinarverfahren mehr in solchen Fällen. Wenn ein Beamter oder eine Beamtin der Landeskirche erstmals mit Alkohol am Steuer gestoppt werde, gebe es in der Regel eine Rüge. "Die Bischöfin wird behandelt wie jede andere Pastorin auch", erläuterte Neukirch. Die Kirche wolle zunächst die Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten.

Rote Ampel überfahren

Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung hatte die Theologin mit ihrem Dienstwagen, einem VW Phaeton, eine rote Ampel missachtet, bevor sie von Polizisten gestoppt wurde. Laut Neukirch kam die Bischöfin von einem privaten Termin. Im Prinzip könne sie auch dafür einen Fahrer anfordern. "Aber der hat auch irgendwann mal Feierabend", sagte Neukirch.

Als führendes Mitglied hat die Präses der EKD-Synode und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt geäußert: "Das ist nicht akzeptabel, dass man mit 1,5 Promille Auto fährt", sagte sie am Dienstagabend in der ARD-"Tagesschau". Sie wisse aus persönlichen Gesprächen mit Käßmann, dass diese über ihr Fehlverhalten selbst am meisten betroffen sei. "Und deswegen respektiere ich, dass sie sich jetzt zurückzieht für eine Zeit." Göring-Eckardt betonte, sie schätze wie viele andere auch die Arbeit Käßmanns als EKD-Ratsvorsitzende "außerordentlich". Als Präses der Synode, des EKD-Kirchenparlaments, steht Göring-Eckhardt an der Spitze einer der wichtigsten EKD-Gremien.

Beckstein zeigt Verständnis

Der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Online-Ausgabe): "Die Lage ist sowohl für die hannoversche Landeskirche als auch für die EKD schwierig." Doch seien "weder Häme noch Beschönigung" am Platz. "Was jetzt Not tut, sind Fairness der Öffentlichkeit und Offenheit in der Sache. Wir Protestanten haben gelernt, zwischen der Person und der Tat zu unterscheiden", sagte Weber. Auf die Frage, ob Käßmann jetzt den Vorsitz im Rat der EKD abgeben müsse, antwortete der Bischof: "Das muss der Rat der EKD mit ihr diskutieren, die Situation ist singulär."

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hat Käßmann in Schutz genommen. "Bischöfin Käßmann hat sicher einen Fehler begangen, sie hätte einen Chauffeur oder ein Taxi nehmen sollen", sagte der stellvertretende Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) den "Nürnberger Nachrichten". Aber dieser Fehler werde nicht dazu führen, dass sie von ihrem Amt als EKD-Chefin zurücktreten müsse. "Auch eine Bischöfin ist keine Heilige, sondern nur ein Mensch, der fehlbar ist", sagte Beckstein.

Schorlemmer: Druck durch das Amt

Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer führte die Alkoholfahrt Käßmanns auf den Druck ihres Amtes zurück. "Das ist ein Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen", sagte Schorlemmer der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwochsausgabe). Es sei trotzdem eine Verfehlung, die nicht einfach zu rechtfertigen sei. Er rate Käßmann, offen zu ihrem Fehler zu stehen, auch wenn es nicht einfach werde.

Unterstützung für Käßmann signalisierten mehrere Kirchenpolitiker. "Ich glaube nicht, dass ihr Amt Schaden daran nimmt", sagte die kirchenpolitische Sprecherin der Union, Maria Flachsbarth (CDU), der "Leipziger Volkszeitung". Sie sei und bleibe eine "herausragende Theologin". Trotzdem sei die Alkoholfahrt eine "klare Verfehlung". Man müsse froh sein, dass niemand dabei zu Schaden gekommen sei.

Der FDP-Kirchenpolitiker Steffen Ruppert sagte der Zeitung, dass Käßmann die Konsequenzen für sich selbst ausmachen müsse. Der kirchenpolitische Sprecher der Linkspartei, Raju Sharma, unterstrich, die Konsequenzen, die die evangelische Theologin zu tragen habe, seien weltliche: "Ihre Autorität steht deshalb nicht in Frage."

Mitgefühl statt Häme

Der Leiter der konservativen Konferenz Bekennender Gemeinschaften, der Hamburger Pfarrer Ulrich Rüß, erklärte, für Käßmann sei eine "besonders schwere und belastende Situation" eingetreten. "Mitgefühl ist eher angesagt als Häme". Sie werde sich "aus ihrem Gewissen über mögliche Konsequenzen entscheiden müssen". Rüß zog frühere Aussagen in der "Leipziger Volkszeitung" zurück, die ihn mit den Worten zitiert hatte, der Vorfall sei ein "Super-GAU".

Käßmann war im Oktober vergangenen Jahres an die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt worden und repräsentiert in dem Amt 25 Millionen Protestanten. Als hannoversche Landesbischöfin ist sie seit zehn Jahren im Amt.

epd/dpa

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