Ein Leben in Bescheidenheit: Rentenreform in Spanien
Spaniens Rentner leben bescheiden. Künftigen Rentnergenerationen könnte es noch schlechter gehen. Gegen die geplante Rentenreform haben Gewerkschaften für Dienstag Proteste angekündigt.
23.02.2010
Von Hans-Günter Kellner

Spaniens Rentner leben bescheiden. Der wärmende Anorak, in den sich Josefa Serrano hüllt, ist über zehn Jahre alt, Strümpfe und Unterwäsche holt sie sich für einen Euro auf dem Wühltisch bei fliegenden Händlern. So kommt sie mit 800 Euro über die Runden, erzählt die 72-Jährige aus Madrid. Die Durchschnittsrente liegt in Spanien sogar niedriger, bei rund 600 Euro.

Rente erst ab 25 Beitragsjahren

Noch schlechter könnte es den künftigen Rentnergenerationen gehen: Denn die Regierung plant eine Reform, die zu deutlichen Einschnitten führen würde. Für Dienstag haben die Gewerkschaften Proteste gegen das Vorhaben angekündigt.

Den Regierungsplänen zufolge sollen die Spanier künftig mit 67 in Rente gehen, zwei Jahre später als bisher. Und sie sollen mindestens 25 Jahre Beiträge zahlen, um Rentenbezüge zu erhalten, zehn Jahre länger als bisher. Dabei macht Spaniens Rentenkasse derzeit sogar Überschüsse. Vor allem die Entwicklung des Arbeitsmarkts der letzten Jahre hat das System stabilisiert.

Bevölkerungspyramide kippt

Trotz der hohen Arbeitslosenquote von 19 Prozent gibt es in Spanien heute sechs Millionen mehr Beschäftigte - und somit auch Beitragszahler - als bei der letzten großen Rezession 1993. Vor allem eine zunehmende Zahl von Frauen und Zuwanderern unter den Beschäftigten hat dazu beigetragen.

Doch auch in Spanien kippt die Bevölkerungspyramide. Kommen heute auf einen Rentner noch vier arbeitsfähige Menschen, würden ab 2050 nur noch zwei Werktätige die Bezüge eines Ruheständlers finanzieren. Schon ab 2022 werde das staatliche Rentensystem pleite sein, rechnet der Verband der Versicherungsträger Unespa vor.

Besonders skandalös: Frühpensionierungen

Verständnis für die Regierungspläne haben trotzdem nur wenige. Margarita Rodrigo de Frutos, die nach fast 40 Beitragsjahren ebenfalls rund 800 Euro im Monat bekommt, meint, die Regierung sollte zunächst dafür sorgen, dass alle Arbeit hätten. Dann gäbe es mehr Beitragszahler und weniger Probleme mit der Rentenkasse.

Für besonders skandalös hält sie die Frühpensionierungen, mit denen vor allem die spanischen Großkonzerne ihre Belegschaft abbauen, obwohl sie gute Gewinne machten. 400.000 Menschen unter 60 Jahren wurden auf diese Weise in den letzten Jahren in den Vorruhestand geschickt. Der Telefoniekonzern Telefónica hat so rund 25.000 Arbeitsplätze abgebaut, im letzten Jahr mussten Beschäftigte schon mit 48 Jahren gehen.

Wer sich weigert, wird unter Druck gesetzt, erzählt Álvaro Barreiro, der vor vier Jahren mit 52 als Bereichsleiter der Honorarbuchhaltung in den Ruhestand gehen sollte. Als er sich weigerte, sollte er in einem Callcenter arbeiten. Er machte die Unternehmensleitung darauf aufmerksam, dass gleiche Arbeit gleich entlohnt werden, die Gehälter der dort Beschäftigten also seinem Einkommen angepasst werden müssten. Seither bekomme er überhaupt keine Arbeit mehr und werde mit Klagen überhäuft, erzählt er.

Auch gegenwärtige Regelung nicht gerecht

Auch die jungen Spanier sehen Widersprüche. Wie ihre Generation angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent auf 25 Beitragsjahre kommen soll, weiß auch die 21-jährige Yolanda Hidalgo nicht. Ihre Arbeitsverträge dauerten höchstens sechs Monate. Um die Einstellung junger Menschen zu fördern, seien diese Jobs zudem von der Sozialversicherung befreit, erklärt die Madriderin, die ebenfalls gegen die Reformpläne demonstrieren möchte.

Doch auch die gegenwärtige Regelung ist nicht immer gerecht, rechnet die Tageszeitung "El País" vor: Wer in den letzten 15 Jahren seines Arbeitslebens den Job verliere, zahle in diesem für die Rentenberechnung entscheidenden Zeitraum weniger Beiträge und verliere Rentenansprüche. Wie viel er davor ins System eingezahlt habe, bleibe unberücksichtigt.

epd