Denn wegen Fehlern im jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC), der die Verhandlungsgrundlage für den Kopenhagener Weltklimagipfel bildete, steht das Gremium unter Beschuss. Mehrere Wissenschaftler - darunter der führende deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber - verlangen Pachauris Rücktritt. Außerdem stehen Beziehungen des Inders zur Ölindustrie in der Kritik.
Der umstrittene Pachauri erhält aber auch Rückendeckung. Mehrere deutsche Forscher, vom epd befragt, sprechen sich für seinen Verbleib an der Spitze des weltweiten Forschernetzwerks aus. Und sie mahnen strikte Kontrollen an, um Patzer in dem nächsten IPCC-Bericht zu vermeiden. Der Weltklimarat will mit externen Beratern kooperieren: Die Spezialisten sollen sagen, wie der Rat seine Arbeit verbessern kann.
Fehler waren "peinlich", "dusselig", "ärgerlich"
"Pachauri sollte bleiben", verlangt Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Er stellt sich damit gegen seinen eigenen Chef Schellnhuber, den Leiter des Potsdam-Instituts. Seit September 2008 ist Edenhofer Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III (Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels) des IPCC - der fehlerhafte Bericht erschien 2007.
Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, sagt ebenfalls: "Es gibt keinen Grund, dass Pachauri geht." Marotzke arbeitete als Gutachter für den Klimarat. Und auch Peter Lemke vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven hält Pachauri die Stange. Lemke koordinierte im letzten Report des Klimarates ein Kapitel über die Änderungen in Schnee, Eis und Permafrost. Nach Ansicht der Fachleute trifft Pachauri keine persönliche Schuld an den Falschinformationen.
Die Experten sind sich jedoch einig: Die Fehler waren einfach "peinlich", "dusselig", "ärgerlich" , "schlecht nachvollziehbar". So prognostizierte der IPCC eine allzu rasante Gletscherschmelze im Himalaja und übertrieb die Bedrohung der Niederlande durch den steigenden Meeresspiegel. Auch die Gefahr von Hungersnöten in Afrika wurde aufgrund eines Irrtums drastischer dargestellt, als sie wohl ist. An den Grundaussagen des Berichts von 2007 über die Bedrohung der Menschheit durch den Klimawandel ändern die Schnitzer aber nichts, so der Tenor der deutschen Forscher.
IPCC-Texte müssen besser überprüft werden
Als Konsequenz verlangen die Wissenschaftler mehr Sorgfalt im IPCC-Prozess. Denn schludrige Arbeit untergräbt die Glaubwürdigkeit des Gremiums und liefert den Leugnern des Klimawandels kostenlose Munition. "Der IPCC muss schärfere interne Kontrollen einführen", mahnt Jochem Marotzke. Alle veröffentlichten Texte müssten "lückenlos" überprüft werden.
Ein ernsthaftes Problem bei der Überprüfung: "Viele Informationen über den Klimawandel finden sich in sogenannter grauer Literatur", erläutert Marotzke. Das sind Zeitschriften, die nicht von Fachleuten begutachtet werden. Offensichtlich lauerte auch der Fehler über die Gletscherschmelze in einer solchen Publikation.
Auch der Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser unterstrich, dass die Fehler die Aussagen des Sachstandsberichts nicht grundsätzlich infrage stellten. Der Report basiere auf einer Vielzahl wissenschaftlich fundierter Quellen, deren Glaubwürdigkeit durch vereinzelte Falschaussagen nicht erschüttert werde.
Sorge um Pachauris Verbindungen zur Ölindustrie
Kaiser forderte zugleich deutlich mehr Sorgfalt in der künftigen Arbeit des UN-Gremiums. "Es müssen neue Mechanismen der Kontrolle eingeführt werden", verlangte er. Unter anderem müssten der Umgang mit den Daten strenger geprüft und die wissenschaftlichen Texte häufiger Korrektur gelesen werden. "Der Chef des Klimasekretariats, Rajendra Pachauri, muss jetzt das Heft in die Hand nehmen und zeigen, wie sich das Gremium neu aufstellt."
Der Bremerhavener Forscher Peter Lemke verlangt zudem mehr Zeit zwischen der Veröffentlichung der Teilberichte: "Der IPCC veröffentlichte die drei Teilberichte des Reports 2007 sehr schnell aufeinander", so Lemke. "Ein solcher Zeitdruck kann zu Fehlern führen."
Vorsichtig beurteilen die Forscher die Verbindungen Pachauris zur Ölindustrie. Sein Energie- und Ressourcen-Institut (TERI) in Neu-Delhi nimmt Gelder von der Ölindustrie: Auf einer Liste der Sponsoren finden sich Firmen wie BP Indien. Der Vorsitzende des IPCC müsse total unabhängig sein, verlangt Marotzke: "Das muss absolut klar sein." Peter Lemke hingegen gibt zu bedenken: "Fest steht, dass der Weltklimarat genau das Gegenteil von dem sagt, was die Ölindustrie hören will: Die Welt muss sich aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen befreien."