Katholische Bischöfe beraten über Missbrauchsskandal
Unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals in Jesuitenschulen treten am Montag in Freiburg die katholischen Bischöfe Deutschlands zusammen. Vor allem vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wird eine klare Stellungnahme zu den Vorfällen erwartet.
19.02.2010
Von Jürgen Ruf

Sexueller Missbrauch von Schülern und Gewalt von Kirchenvertretern, immer neue Enthüllungen, Vorwürfe und Fragen an die Kirche: Die Schlagzeilen und Ermittlungen zum sexuellen Missbrauch an katholischen Schulen setzen die deutschen Bischöfe unter Druck und kratzen am Image der katholischen Kirche. Doch Robert Zollitsch (71), fast auf den Tag genau seit zwei Jahren oberster Bischof in Deutschland, schweigt. Zum Skandal, der immer größere Dimensionen annimmt, bleibt er sprachlos, findet öffentlich keine Worte. Nicht einmal ein Wort des Mitgefühls oder des Bedauerns für die vielen und oft noch traumatisierten Opfer.

Die deutschen Bischöfe treffen sich von Montag bis Donnerstag in Freiburg zu ihrer Frühjahrsvollversammlung. Freiburgs Erzbischof Zollitsch, seit dem 18. Februar 2008 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), ist Gastgeber. Lange sah es nach einer Routinesitzung aus. Bis vor drei Wochen, als die ersten Fälle im Missbrauchsskandal des katholischen Jesuiten- Ordens bekannt wurden. Das Thema wurde kurzfristig auf die Tagesordnung der Bischofskonferenz gesetzt, überschattet nun die anderen Themen.

Hilf- und führungslos

Im Umgang mit dem Missbrauchsskandal, der sich für die Kirche zu einem Flächenbrand zu entwickeln scheint, zeigen sich die führenden deutschen Bischöfe hilf- und führungslos, zumindest in der Außendarstellung. Bei der Aufklärung ist fast ausschließlich der Jesuiten-Orden präsent. DBK-Chef Zollitsch dagegen ist in der Frage, wie die Kirche mit dem Thema umgeht, abgetaucht: keine Erklärungen, keine Interviews. Zollitsch will die Vollversammlung abwarten, betonen seine Sprecher.

Welche Konsequenzen die 65 in Freiburg tagenden Bischöfe aus dem Skandal ziehen, ist unklar. Das Zölibat, so heißt es, stehe nicht zur Diskussion. Erörtert werde vielmehr, wie die Prävention und möglicherweise die Priesterausbildung verbessert werden kann, sagt ein Sprecher der Konferenz. Grundlage sind die Leitlinien, die im September 2002 von den Bischöfen zum Schutz vor sexuellen Übergriffen verabschiedet wurden. Diese seien "unmissverständlich und nach wie vor Grundlage unseres Handelns", heißt es.

"Einstellung zu Sexualität ändern"

Kritikern reicht das nicht. Die Laienorganisation "Wir sind Kirche" fordert, dass sich die Bischöfe grundlegend mit dem Problem auseinandersetzen. Neben einem besseren Schutz der Opfer durch schärfere Regeln müsse eine Grundsatzdebatte geführt werden, sagt der Sprecher der Reformbewegung, Christian Weisner. Die Kirche müsse ihre Einstellung zur Sexualität ändern. "Ohne eine Enttabuisierung in der Sexuallehre und eine grundlegende Änderung in der Einstellung zur menschlichen Sexualität wird der Teufelkreis von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der römisch-katholischen Kirche nicht zu durchbrechen sein."

Auch der Buchautor und Journalist Peter Wensierski fordert einen Kurswechsel - und Transparenz: Die Kirche müsse endlich die Akten für die Anwälte der Opfer öffnen, sagt er. Die Tagung der Bischöfe in Freiburg müsse hierfür die Weichen stellen. Auch Kirchenkritiker Eugen Drewermann sieht die Bischöfe im Handlungszwang. Kritisiert wird zudem, dass sich Missbrauchsopfer den Richtlinien zufolge nur an Kirchenvertreter wenden können. Und dass die Taten mit den Jahren verjähren und dadurch straffrei werden.

Kein Kommentar zu Mixa

Durch sein Schweigen überlässt DBK-Chef Zollitsch den Kritikern und seinen innerkirchlichen Gegnern das Feld. Beispielsweise dem Augsburger Bischof Walter Mixa, der mit seinen Äußerungen zu den möglichen Gründen des Skandals diese Woche kritische Reaktionen hervorgerufen hat. Er sieht in der sexualisierten Gesellschaft und nicht etwa in der verordneten Enthaltsamkeit für die Priester eine Ursache für den Missbrauch. Zollitsch ließ Mixas Worte unkommentiert, ebenso wie die Äußerungen der Kirchenkritiker.

Möglicherweise zieht Zollitsch die Lehren aus den Erfahrungen vor zwei Jahren. Bei seinem Amtsantritt hatte er mit Äußerungen zum Zölibat Schlagzeilen gemacht und bei Laien Hoffnungen geweckt. Im Kreis seiner Bischöfe, hinter verschlossenen Türen, war er dafür heftig kritisiert worden. Zollitsch fühlte sich missverstanden. Zum Zölibat, einem der heißen Eisen in der katholischen Kirche, hat er sich seither nicht mehr öffentlichkeitswirksam geäußert.

dpa