Finanzmarkt: "Sonst steht die nächste Krise schon vor der Tür"
Eigentlich schienen in Deutschland fast alle für eine internationale Finanztransaktionssteuer zu sein, um gefährliche Spekulationsblasen einzuschränken. Aber jetzt schlägt die Initiative "Steuer gegen Armut" Alarm: Soll nach einer einmaligen Abgabe alles beim alten bleiben?
19.02.2010
Von Georg Klein

Die Finanztransaktionssteuer soll jede finanzielle Aktion mit 0,01 bis 0,1 Prozent besteuern. Das würde nicht, wie die FDP behauptet, die kleinen Sparer treffen. Bei der Anlage eines Sparbuchs, ebenso wie bei einer langfristigen Geldanlage, fiele eine einmalige Minimalabgabe kaum ins Gewicht. Sehr wohl ins Gewicht fiele eine solche Steuer aber bei schnellen und vor allem häufigen Transaktionen und Spekulationen auf den Finanzmärkten. Diese würden damit weniger lukrativ, die Märkte insgesamt sicherer und die Einnahmen könnten für soziale oder ökologische Zwecke verwendet werden.

Überbordende Spekulationen

Weite Kreise der evangelischen und der katholischen Kirche sind dafür. Ökonomen, Wissenschaftler und Geschäftsleute auch. Der Bundespräsident hat sich zur Einführung der Regierung dafür ausgesprochen, die Kanzlerin in einem Interview mit dem "Handelsblatt". Es steht sogar im Beschluss des Bundesvorstandes der CDU zur Klausurtagung im Januar 2010: "Wir setzen uns für eine internationale Finanztransaktionssteuer ein. Eine solche weltweit eingeführte Steuer kann überbordende Spekulationen dämpfen und einen Beitrag leisten, die finanziellen Lasten der Krisenbewältigung in fairer Weise zu tragen." Die Opposition war sowieso schon immer dafür. Schließlich war die Finanztransaktionssteuer ursprünglich eine Forderung der Globalisierungskritiker.

Und trotzdem warnt das Bündnis "Steuer gegen Armut", das von dem Jesuitenpater Jörg Alt mitorganisiert wird, dass das Thema beim G20 Gipfel im Juni bereits vom Tisch sein könnte. Seit Barrack Obamas Vorschlag einer einmaligen Abgabe für Banken werde nur noch darüber als Kompromissmöglichkeit gesprochen. Schäuble habe inoffiziell bereits verlauten lassen, dass die Finanztransaktionssteuer tot sei, wie es auf der Seite des Bündnisses heißt. Deswegen ruft das Bündnis zu einer internationalen Unterschriftenaktion auf, um vor dem Gipfel nochmals Druck und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Bis jetzt sind Deutschland und England beteiligt, weitere G20-Länder sollen folgen.

Untaugliche Alternativen

Tatsächlich zeigt sich ein Sprecher des Kanzleramts auf Nachfrage äußerst zurückhaltend. Es seien zurzeit mehrere Modelle in der Diskussion, natürlich auch der Obama –Vorschlag. Wichtig sei vor allem ein Modell, dem alle Staaten zustimmten, weil es sonst Nachteile für einzelne Länder gäbe. Als weitere mögliche Alternative nennt er ein an der Größe der jeweiligen Banken orientiertes Fondsmodell - Geld, das die Banken selbst zurücklegen sollen, um die nächste Krise alleine aufzufangen.

Weder mit einer einmaligen Abgabe, noch mit Sicherungsfonds würden allerdings einzelne Spekulanten und Hedgefonds daran gehindert schnelle und riskante Geschäfte zu machen. Wie sich gerade am Beispiel Griechenlands zeigt, wo bereits wieder gut am Absturz des Landes verdient und dieser damit verschärft wird. Außerdem kann kein vernünftiger Mensch die nächste Krise wollen, auch wenn diese dann von den Banken selbst bezahlt werden müsste.

Das sieht auch Gerhard Wegner (Bild links) vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD ähnlich: "Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht zwar, dass man Maßnahmen ergreifen will, aber immer erst, wenn die Krise vorbei ist. Das ist eindeutig zu spät, da muss man sich beeilen, dass die nächste Krise nicht schon vor der Tür steht." Es werde zurzeit viel zu wenig unternommen, meint Wegner. Vor allem aber sei es wichtig, dass sich die Finanzmärkte nicht mehr weiter von der Realwirtschaft abkoppeln können.

Pazifizierung des Finanzwesens

Für Wegner sind die Finanzmärkte fast so etwas wie öffentliche Güter, dafür verantwortlich, dass Wirtschaft im Interesse aller gut funktionieren kann. Das Finanzsystem sei ursprünglich eine Art treuhänderischer Makler gewesen, zwischen Menschen die Waren erzeugten und damit handelten. Es sei nie Sinn der Sache gewesen, dass die Finanzmärkte selbst Risiken erzeugten, an denen nur wenige, verdienten und dabei die Allgemeinheit gefährdeten. Wenn auf den Finanzmärkten zu viel Geld verdient werde, so Wegner, sei das immer ein Zeichen, dass dort nicht mehr verantwortungsvolles Maklertum betrieben werde. "Was man wirklich erreichen muss, ist eine Pazifizierung des Finanzwesens."

Er halte es auf jeden Fall für wichtig, weiter Druck für eine Transaktionssteuer zu machen, auch wenn ihm die Bezeichnung Steuer gegen Armut nicht völlig plausibel sei. Zumindest in Deutschland können man nicht von vornherein bestimmte Steuern für bestimmte Ausgaben erheben. Das widerspräche der ganzen Denkungsart. Das Geld würde in die Haushalte einfließen, dort sei ohnehin gewaltiger Sanierungsbedarf. Natürlich müsse es dann für vernünftige Zwecke wie Soziales und Bildung eingesetzt werden, das könne man ganz pragmatisch sehen. Man müsse darauf achten, wie weit sich die Finanzströme dem nationalen Zugriff entziehen würden, hier sei besonders die EU gefragt. Wenn man aber nicht jetzt handele, meint Wegner, könne man in Zukunft überhaupt nichts mehr gegen Armut unternehmen. 


 

Georg Klein lebt als freier Autor in Offenbach a.M.