"Krupp – eine deutsche Familie", 21. Februar, 20.15 Uhr, auf ZDF Neo
Dieser Film über die Essener Familie Krupp, den der ZDF-Ableger Neo heute und in den nächsten Tagen zeigt, war einer der Überraschungserfolge des letzten Jahres: Angesichts der komplexen Erzählstruktur sowie der großen Dialoglastigkeit konnte man kaum davon ausgehen, dass der Dreiteiler reibungslos funktionieren würde.
Ansatz ebenso naheliegend wie komplex
Auf der anderen Seite mag der Mythos Krupp zwar verblasst sein, doch der Stoff hat nichts von seinem Reiz verloren: Der Werdegang der Stahl-Dynastie ist wie geschaffen für eine episch angelegte Saga. Sender, Autoren und Produktionsfirmen haben sich allerdings über Jahrzehnte hinweg an dieser Mammutaufgabe die Zähne ausgebissen. Mit dieser ehrgeizigen Produktion aber ist es gelungen, die Geschichte der Familie und die Historie des Landes miteinander zu verweben. Der Ansatz, den die ZDF-Redaktion Fernsehspiel, Autor Christian Schnalke, Erfolgsproduzent Oliver Berben und Regisseur Carlo Rola gefunden haben, ist ebenso naheliegend wie komplex: Das aufwändige und von gleich fünf Förderinstitutionen finanziell unterstützte Epos erzählt die deutsche Geschichte gewissermaßen von innen. Die Krupps waren so eng mit dem Wohl und Wehe des Landes verbunden, dass man die beiden Erzählstränge gar nicht voneinander isolieren kann.
Mit Benjamin Sadler und Iris Berben
Folgt man Schnalkes Sicht, ging es bei der Familie noch strenger zu als beim Adel oder im Großbürgertum ohnehin üblich. Gerade weil Gefühle aller Art so verpönt waren, ist die Binnenansicht so emotional: Die Bedingungen, unter denen der spätere Unternehmenserbe Alfried aufwachsen musste, ähnelten offenbar der Jugend eines Thronfolgers. Im Zentrum der dreiteiligen Handlung steht daher der zentrale und erst viel zu spät offen ausgetragene Konflikt zwischen Alfried (Benjamin Sadler) und seiner Mutter Bertha (Iris Berben). Er ist Auslöser der Rahmenhandlung: Nach dem Streit bricht die heimliche Herrscherin des Konzerns zusammen; auf dem Krankenbett lässt sie ihr Leben Revue passieren.
Dramaturgie nötigt großen Respekt ab
Gerade die kalte, übertrieben distinguierte Haltung der Hauptfiguren und die bedrückend düstere Atmosphäre im Familiensitz machen es jedoch etwas schwer, sich für das Epos zu erwärmen. Ausstattung, Bildgestaltung (Rolas Stammkameramann Frank Küpper), die angemessen wuchtige Musik (Christian Brandauer) sowie die Riege der namhaften Darsteller (unter anderem Heino Ferch, Thomas Thieme, Barbara Auer) nötigen allerdings großen Respekt ab. Das Trio Schnalke/Berben/Rola war auch schon für das vergleichbar angelegte Emanzipations-Epos "Afrika, mon amour" (2007) sowie den Wirtschafts- und Familienkrimi "Die Patriarchin" (2005) verantwortlich.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).