IG-Metall-Chef: Krise erfordert echten Neuanfang
„Wir brauchen angesichts der tiefen Krise einen echten Neuanfang." Das hat der Erste Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, beim Sozialpolitischen Aschermittwoch der Kirchen in Essen gefordert.
17.02.2010
nrw.evangelisch.de / es, Foto: Nicole Cronauge/Bistum Essen

In seinen Vortrag „Der Faktor Arbeit in der Industriegesellschaft der Zukunft“ stellte Huber in der Evangelischen Kirche am Katernberger Markt fest: Der Finanzmarkt habe versagt. Die Krise habe eine Gesellschaft getroffen, deren Fundament schon als brüchig bezeichnet werden könne. Diese Brüchigkeit zeige sich besonders deutlich am Arbeitsmarkt. Dieser sei nicht länger gespalten zwischen „Insidern“ und Outsidern“.

Statt dessen gebe es immer mehr „Zwischenstadien“ wie „atypische Beschäftigungen“ und Niedriglohn. Auch würden die Beschäftigen im so genannten Normalarbeitsverhältnis stärker unter Druck gesetzt: „Belastende Formen der Arbeitszeit nehmen zu, Arbeitsabläufe werden retaylorisiert, Taktzeiten verkürzt, individuelle Zielvorgaben nach oben geschraubt.“

Verrohung unterbinden

Hubers Fazit: „Das ganze Projekt ‚Humanisierung der Arbeit’ befindet sich auf dem Rückzug.“ Er forderte eine neue Arbeitspolitik mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, die eine weitere „Verrohung des Arbeitsmarktes“ unterbinde, unter anderem durch Regulierung der Leiharbeit und „armutsfeste Lohnuntergrenzen“.

„Eine Wirtschaftsordnung, die dem Menschen nicht dient, läuft zentralen Grundsätzen von Kirchen und Gewerkschaften gleichmaßen zuwider“, resümierte Huber und rief dazu auf, auf dem Weg zu einer sozialen marktwirtschaftlichen Demokratie eine „Fahrgemeinschaft“ zu bilden.

"Arbeit gehört zum Menschen"

Präses Nikolaus Schneider lobte den „Ton der Nachdenklichkeit“ im Vortrag Hubers und betonte, Arbeit gehöre zum menschlichen Leben dazu. Er erinnerte an das Luther-Zitat: „Wie das Fliegen zum Vogel gehört, gehört die Arbeit zum Menschen.“

Die Feststellung Hubers, dass die Humanisierung der Arbeit auf dem Rückzug sei, sei erschreckend, „aber ich kann Ihnen nicht widersprechen“. Schneider rief dazu auf, die Krise als Chance zu begreifen. Auf sozialstaatliche Absicherung könne dabei nicht verzichtet werden. „Das hat nichts mit spätrömischer Dekadenz zu tun, sondern weil der Mensch ein Mensch ist, muss es eine Grundsicherung geben“, so Schneider.

Die von Huber angebotene „Fahrgemeinschaft“ sei ein gutes Bild für das, was miteinander zu tun ist. Er wünsche sich jedoch über die bilateralen Gespräche zwischen Kirche und Wirtschaft und zwischen Kirche und Gewerkschaften hinaus „trilaterale Begegnungen“.

Mensch im Mittelpunkt

Auch Essens katholischer Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck betonte vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft sei.

Der Sozialpolitische Aschermittwoch ist eine Gemeinschaftsaktion von Bistum Essen und Evangelischer Kirche im Rheinland. Die Evangelische Kirche am Katernberger Markt, auch Bergmannsdom genannt, ist die größte evangelische Kirche im Ruhrgebiet. „Wenn Steine erzählen könnten, würden sie in dieser Kirche Lebensgeschichten von harter Arbeit vor Ort und unter Tage erzählen“, so der Essener Superintendent Irmenfried Mundt.