Bier und Bissiges zum politischen Aschermittwoch
Bierkrüge auf den Tischen, bissige Politiker auf der Bühne - zum politischen Aschermittwoch haben sich in diesem Jahr gleich vier Parteichefs nach Niederbayern begeben, um den Hunger ihrer Anhänger nach derber Verbalkost zu stillen. Der sozialpolitische Riss durch die Koalition trat dabei offen zutage - der mit Spannung erwartete Schlagabtausch zwischen den Koalitionären von CSU und FDP blieb indes eher einseitig.
17.02.2010
Von Christoph Trost und Ulf Vogler

"Bayern kommt zuerst und dann die Koalition", stellte CSU-Chef Horst Seehofer in Passau klar und parierte die Androhung von FDP-Chef Guido Westerwelle zu einem weniger duldsamen Umgang mit der CSU eher abschätzig: "Das ist kein Tsunami, das ist nur eine Westerwelle." Seehofer bekräftigte zudem sein Nein zur von der FDP geforderten Kopfpauschale als Krankenkassenbeitrag. Verbale Rundumschläge gegen den Koalitionspartner vermied Seehofer aber.

"Das Volk will die Wahrheit hören"

Kein Wort gibt es in Straubing vom FDP-Chef zum Dauerzwist mit der CSU und ihrem Vorsitzenden. Dabei hatte Westerwelle mit dem Streit um die künftige Höhe der Hartz-IV-Sätze allen ein Reizthema geliefert. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein, hatte Westerwelle gemeint, die Hartz-IV-Diskussion trage "sozialistische Züge". In der Straubinger Joseph- von-Fraunhofer-Halle legt er vor mehr als 700 Besuchern nach: "Ich bin als Außenminister im Ausland zur Diplomatie verpflichtet. Im Inland gehöre ich weiterhin dem Verein der klaren Aussprache an", ruft er den jubelnden Liberalen zu. "Das Volk will die Wahrheit hören", sagt er und macht unmissverständlich klar, dass er nichts von seinen Worten zurückzunehmen habe.

CSU-Chef Seehofer zieht derweil in Passau vor Tausenden von Anhängern eine scharfe Grenze zwischen Solidarität und Sozialismus: "Wer Arbeit ablehnt, hat keinen Anspruch auf Solidarität." Wer aber wirklich Hilfe brauche, dem werde geholfen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei es nun dringend geboten, neue und empirisch belegbare Bedarfssätze festzulegen. Er kenne kein Gesetz, das "so schlampig ausgeführt" worden sei wie die Hartz-Gesetzgebung.

"Millionenschwere Steuerhinterzieher sind die wahren Asozialen"

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel nutzt die Debatte als Steilvorlage. Im Wolferstetter Keller in Vilshofen spannt er unter dem Applaus von etwa 500 Anhängern den Bogen von den Bedürftigen zu den millionenschweren Steuerhinterziehern: Diese Menschen, die wegen der dem Staat angebotenen CDs mit geheimen Schweizer Bankdaten nun einen Besuch vom Staatsanwalt befürchten müssen, sind für ihn die "wahren Asozialen". Für die leidgeprüften SPD-Mitglieder ist der einstündige Gabriel-Auftritt Balsam für die Parteiseele.

Mit einem für bayerische Verhältnisse schon provozierenden Akt machen die Grünen auf sich aufmerksam. Nicht mit einer Maß Bier, sondern mit einem Glas Milch stoßen in Landshut Parteichef Cem Özdemir und seine Parteifreunde an. Damit wollen sie auf die prekäre Lage der Milchbauern in Bayern hinweisen. Mit Spitzen gegen die FDP und ihren Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ("Die Bezeichnung 'Dampfplauderer' für Brüderle ist eigentlich eine Übertreibung: ich kann da gar keinen Dampf sehen") und die BayernLB-Misere der CSU ("Die Türkei muss nur die bayerische Landesbank übernehmen, dann klappt das schon mit der EU-Mitgliedschaft") - sorgt Özdemir für Begeisterung unter seiner Anhängerschaft.

dpa