Die Verjährungsfristen garantierten auch den jetzt bekanntgewordenen Tätern vermutlich wieder Straffreiheit und bewahrten sie vor Entschädigungszahlungen. Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) plädiert für eine Verlängerung der Verjährungsfristen.
Der Priester, der 1958 den neunjährigen Denef missbrauchte, war ein Freund der Familie, ebenso wie der Chorleiter, der sich 1965 dem jungen Norbert unsittlich genähert hat. 450.000 Euro fordere er von seinen Peinigern, sagte Denef dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber die Taten waren längst verjährt, als sie ihm überhaupt erst wieder ins Bewusstsein drangen. Das Geld könne nicht heilen, was er erlitten habe und noch erleidet, sagt Denef. Auch die Last, die seine Familie durch ihn zu tragen hatte, lasse sich mit Geld nicht wiedergutmachen. "Aber eine Verurteilung der Täter und das Schmerzensgeld hätten zumindest die Anerkennung meines Leids durch die Gesellschaft ausgedrückt", sagt Denef.
Bistum bot 25.000 Euro "Schweigegeld"
Missbrauchsopfer tun sich nicht nur aus Scham schwer, das an ihnen begangene Verbrechen öffentlich zu machen, sagt Denef. Warum sollten sie, wenn sie endlich in der Lage sind, über den Missbrauch zu sprechen, an die Öffentlichkeit gehen? Hilfe durch die Justiz hätten sie kaum zu erwarten, weil die Tat meistens verjährt ist. Und im privaten Umfeld handelten sie sich damit häufig nur Unverständnis und Unwillen ein. Denefs Familie habe ihn beispielsweise als "Nestbeschmutzer" angesehen, als er auf einem Verwandtentreffen nach über 30 Jahren berichtete, was ihm als Junge widerfahren ist.
Das Bistum Limburg hatte Denef seinerzeit 25.000 Euro "Schweigegeld" - wie das Opfer selbst es nennt - für den Missbrauch durch den inzwischen verstorbenen Priester gezahlt, was nur einen Teil der Kosten für Therapien und Klinikaufenthalte gedeckt habe. Papst Johannes Paul II. "ermutigte" ihn in einem persönlichen Schreiben, "den allmächtigen Gott um seinen starken Beistand für innere Heilung und um die Kraft der Vergebung zu bitten".
Expertin fordert härtere Sanktionen für Institutionen
Denef hat nicht vergeben. Er kämpft für die Abschaffung der Verjährungsfristen bei sexuellen Straftaten im Zivilrecht. Schadenersatzansprüche verjähren nach drei bis maximal zehn Jahren. 2006 reichte Denef beim Bundestag eine entsprechende Petition ein. 14.752 Befürworter hatten sie mit unterzeichnet. Die Eingabe wurde aber im Dezember 2008 abgelehnt. "Paragraf 78 Strafgesetzbuch sieht für sämtliche Straftaten - mit Ausnahme Mord - die Verfolgungsverjährung vor, welche die Ahndung der Straftaten ausschließt", heißt es in der Ablehnung. Ausnahmen seien "nur aus besonders schwerwiegenden kriminalpolitischen Gründen" zulässig.
Die Fälle von Kindesmissbrauch, die aus Sicht der Opfer "die Seele zerstören", fallen nach dieser Lesart nicht darunter. Vor fast genau einem Jahr, am 24. Februar 2009, reichte Denef deshalb beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerde gegen die Bundesrepublik ein.
Während jetzt die bayerische Justizministerin Merk fordert, die Verjährungsfristen im Straf- wie im Zivilrecht auf 30 Jahre anzuheben, hält Monika Frommel, Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Kieler Christian-Albrechts-Universität, die Verjährungsfrist bei Missbrauch für angemessen. Sie plädiert dafür, Schadenersatzklagen gegen Institutionen zu erleichtern, wenn diese sich fahrlässig verhalten, etwa Missbrauch deckten und Verdächtige lediglich versetzten. Derartige Verstöße gegen Aufsichtspflichten beträfen nicht nur die katholische Kirche, sondern grundsätzlich alle Träger und Einrichtungen, in denen Kinder, Jugendliche und Behinderte betreut werden.