"Drogen-Oma" vor Gericht geständig
In Wuppertal steht die vermutlich älteste Drogendealerin Deutschlands vor Gericht: Die 85-Jährige soll durch ihren heroinabhängigen Sohn in den Drogensumpf geraten sein. In Kaffeepaketen schmuggelte die unverdächtige Seniorin Heroin aus den Niederlanden nach Deutschland. Das Problem schmuggelnder Senioren stellt sich aber nicht nur in Deutschland.

Die Kapuze ihres beige-farbenen Mantels hat sie tief ins Gesicht gezogen. Gebeugt schreitet Hannelore M. zwischen ihren Verteidigern, die sie mit Akten vor dem Blitzlichtgewitter abzuschirmen versuchen, zur Anklagebank. Mit 85 Jahren gilt die Solingerin als älteste bekannte Drogendealerin Deutschlands. Seit Dienstag steht sie wegen Drogenhandels vor dem Landgericht Wuppertal. Ihre Mandantin sei weiter geständig, sagt Verteidigerin Isabell Schemmel.

Handel in dritter Generation

Die Familie der alten Frau handelt der Anklage zufolge in dritter Generation mit Heroin: Neben der 85-Jährigen sind auch ihr Sohn (50) und ihr Enkel (25) angeklagt, beide sind einschlägig vorbestraft. Seit 30 Jahren ist der Sohn heroinabhängig, hängt an der Nadel, sagt dessen Anwalt. Hannelore M. dagegen galt bislang als unbescholten, führte ein bürgerliches Leben. Irgendwann hat sie sich anscheinend in den Drogensumpf hineinziehen lassen. Um den totalen Absturz ihres Sohnes zu verhindern, soll die betagte Dame schließlich nach Kräften mitgeholfen haben, dessen Drogensucht zu finanzieren.

Ihr unverdächtiges Äußeres war dabei nützlich: In Kaffeepaketen versteckt hat die Solingerin laut Anklage Heroin von Holland nach Deutschland geschmuggelt. Ihre Wohnung diente den Ermittlern zufolge als Drogen- und Geldversteck. Nach monatelanger Beschattung war die Ermittlungskommission "Rente" der Seniorin auf die Schliche gekommen und hatte zugeschlagen: Die Ermittler beschlagnahmten drei Kilogramm Heroin im Wert von 70.000 Euro und eine kleinere Menge Kokain.

Ein Sondereinsatzkommando stieß auf eine Drogenküche und zwei scharfe Schusswaffen. Die "Drogen-Oma" blieb nach ihrem Geständnis auf freiem Fuß. Ihr und den Familienmitgliedern drohen 5 bis 15 Jahren Haft. Ein Urteil wird Ende März erwartet. Beim Prozessauftakt am Dienstag spricht die ängstlich dreinschauende Rentnerin kein einziges Wort. Unter ihrem Mantel kommt eine gepflegte, zierliche, schüchterne alte Dame mit grauer Kurzhaarfrisur zum Vorschein. Zum braunen Pulli trägt sie einen cremefarbenen Schal. "Es geht ihr körperlich und psychisch nicht gut, aber sie will sich dem Verfahren stellen", sagt ihre Anwältin.

Gipsbein aus Kokain

Am Dienstag dauert die Prozedur nur eine Stunde: Weil sich einer der insgesamt fünf Angeklagten per Attest krankgemeldet hat, kann nicht einmal die Anklageschrift verlesen werden. Das Landgericht beschließt, den an den Rollstuhl gefesselten Mann beim nächsten Verhandlungstag am kommenden Dienstag notfalls auf einem Liege- Rollstuhl von der Polizei in den Gerichtssaal schaffen zu lassen.

Drogendealer im Rentenalter sind keine Seltenheit. Erst im Dezember 2009 wurde eine 81 Jahre alte Nürnbergerin zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie insgesamt 400 Gramm Heroin verkauft hatte. Die herzkranke Seniorin hatte den Handel ihres 58-jährigen Sohnes fortgeführt, der in Untersuchungshaft saß. Insgesamt erwirtschaftete sie mehr als 16.000 Euro.

Dass Drogenhändler auch im Alter sehr kreativ sein können, wenn es um das Verstecken ihrer Ware geht, zeigt der Fall eines 66-jährigen Chilenen. Dieser wurde im März 2009 auf dem Flughafen in Barcelona festgenommen. Er hatte versucht, mit einem Gipsbein einzureisen, das fast ausschließlich aus gepresstem Kokain bestand.

25 Mal wegen Rauschgifthandel verhaftet

Kokain und Heroin bestimmten auch das Geschäft einer 82-jährigen spanischen Rentnerin. Im Juli 2000 wurde die Frau zum 25. Mal wegen Rauschgifthandels verhaftet. 1990 war die Witwe erstmals festgenommen worden - zusammen mit ihrem Sohn. Aufgrund ihres Alters kam sie immer wieder auf freien Fuß.

1994 wurde ein deutsches Ehepaar verhaftet, das gemeinsam mit Heroin handelte. Der 65-jährige Rentner wurde vom Landgericht Saarbrücken zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, seine 56-jährige Ehefrau musste für drei Jahre hinter Gitter. Die Kontakte zu seinen Kunden hatte das Paar durch seinen heroinabhängigen Sohn bekommen.

In Großbritannien sorgte 1987 der Fall einer 74-jährigen Rentnerin für Aufsehen. Die Frau wurde dabei erwischt, wie sie versuchte, 4,5 Kilogramm Haschisch durch den Zoll am Londoner Flughafen Heathrow zu schmuggeln. Die Dealerin, die damals 68 Enkel und Urenkel hatte, wurde zu vier Monaten Haft verurteilt. Ins Gefängnis kam sie nicht zum ersten Mal: Im Jahr 1978 war sie mit neun Kilogramm Rauschgift auf dem selben Flughafen verhaftet worden. Sie musste eine 18-monatige Haftstrafe verbüßen.

dpa