Spiele, Musik, Videos - die Datenwelle rollt
Navigation, Spiele, Musik und Videos - das Handy wird der neue Alltagshelfer in allen Lebenslagen. Darauf setzen nicht nur die Hersteller von Handys, sondern auch die großen Telekomfirmen. Sie wollen vom Boom im mobilen Netz profitieren, müssen aber gleichzeitig für den Ausbau sorgen.
16.02.2010
Von Annika Graf

Die Telekom-Branche setzt ihre Hoffnungen auf das Geschäft mit dem mobilen Internet. Sollte es aber tatsächlich so einschlagen wie erwartet, stehen vor allem die Netzbetreiber in den nächsten Jahren vor einem Kapazitätsproblem: Schon ein einziges Youtube-Video entspricht der Datenmenge von 500.000 SMS. Die Leistungsfähigkeit der Netze wird nach Einschätzung von Experten für die Netzbetreiber in Zukunft zur Überlebensfrage.

Flatrate-Tarife bremsen Erlöse

Die Mobilfunk-Anbieter selbst haben die Welle angestoßen, da sie hofften, mit dem steigenden Datenwachstum in den nächsten Jahren höhere Umsätze zu generieren. Allerdings: Da sich immer stärker Flatrate-Tarife durchsetzen, wachsen die Erlöse nicht annähernd so schnell wie die Datenmengen. Das heißt: Andere Umsatzquellen müssen her.

Vodafone-Chef Vittorio Colao machte auf dem Mobile World Congress in Barcelona deutlich, er und seine Branchenkollegen wollen sich nicht auf die Rolle einer Datenleitung für fremde Geschäftsmodelle reduzieren lassen. Schließlich bräuchten sie Geld für den ständigen Ausbau der Netze. So wollen die Netzbetreiber auch im Markt für Handy-Software mitmischen. Doch allein darauf können sie sich nicht verlassen. Denn allein schon Apple und Google haben sich mit ihren App Stores schon längst eine sichere Marktposition erarbeitet und ein Stück des Kuchens gesichert.

Es ist das klassische Dilemma der Telekom-Branche: Sie kämpft mit sinkenden Preisen, während der Investitionsbedarf nicht weniger wird. Die Hoffnung der Netzbetreiber ist, dass die schiere Menge der Datenanwendungen die Umsatzrückgange in anderen Bereichen ausgleichen kann.

50 Milliarden verbundene Geräte

Gleichzeitig stellt das Wachstum die Betreiber der Netze vor die nächste große Herausforderung: Bereits heute merken Mobilfunknutzer beim Surfen im mobilen Internet Engpässe, sobald sie in Netzabschnitte mit geringeren Übertragungsraten gebucht werden oder die Auslastung hoch ist. Die Netzausrüster wittern bereits neue Geschäftsmöglichkeiten und malen ihre eigenen Szenarien. Von 50 Milliarden verbundenen Geräten im Jahr 2020 spricht Ericsson. Nokia Siemens Networks rechnet, dass der mobile Datenverkehr weltweit schon im Jahr 2015 auf 23 Exabytes anwachsen wird. Das entspricht der gleichen Datenmenge, wie wenn 6,3 Milliarden Menschen jeden Tag ein digitales Buch herunterladen. Bei solchen Aussichten müssen T-Mobile, Vodafone & Co. zwangsläufig aufrüsten.

Helfen soll auf lange Sicht der neue Mobilfunkstandard Long Term Evolution (LTE), der extrem hohe Übertragungsgeschwindigkeiten ermöglicht. Nokia-Manager Anssi Vanjoki erwartet in den kommenden Jahren eine reibungslose Einführung. "Der Übergang von GSM zu UMTS war noch eine schmerzvolles Erfahrung für Branche und Kunden. Schon die Einführung der UMTS-Ausbaustufe HSPA verlief hingegen geräuschlos."

Mobilfunknetze müssen aufgerüstet werden

In Deutschland ist LTE, der Mobilfunkstandard der vierten Generation, aber noch Zukunftsmusik. Während in einigen skandinavischen Großstädten in diesem Jahr bereits LTE-Netze gebaut werden, rüsten die Betreiber hierzulande erst einmal ihre Netze der dritten Generation mit dem UMTS-Beschleuniger HSPA auf. Streckenweise will die Telekom im nächsten Jahr in Deutschland HSPA+ einführen mit Datenraten von bis zu 42 Megabit je Sekunde.

Insgesamt, so schätzen Branchenbeobachter, wird die Umstellung auf LTE um einiges günstiger als der Aufbau der UMTS-Netze, denn die bestehenden Mobilfunkstationen können einfacher aufgerüstet werden. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung Booz & Co. wird der Aufbau von LTE-Mobilfunk-Infrastruktur bis 2014 aber weltweit immer noch mindestens 20 Milliarden Euro verschlingen - für die chronisch hochverschuldeten Netzbetreiber eine große Herausforderung.

dpa