Menschliches Versagen führte zu tödlichem Bahn-Unfall
Bei dem schweren Zugunglück im belgischen Buizingen bei Brüssel sind 18 Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Kind. Zugleich wurden 162 Fahrgäste verletzt, davon elf schwer. Diese vorläufige Bilanz zog der Gouverneur von Flämisch- Brabant, Lodewijk De Witte, am Montagabend. Unter den Toten ist nach Angaben der Staatsbahn SNCB auch der Lokführer eines Zuges. "Normalerweise dürften jetzt keine Opfer mehr in den Waggons liegen", sagte De Witte.

Für die Spurensuche und die Bergungsarbeiten bleibt die Strecke nach Angaben der Staatsanwaltschaft Brüssel noch mindestens zwei Tage lang gesperrt. Obwohl die Strecke mit modernster Technik ausgestattet war, konnte dies den Unfall nicht verhindern. Auf den Gleisen gab es ein Sicherheitssystem, das Züge automatisch bremst, wenn sie ein Haltesignal missachten. Jedoch war nur einer der beiden Züge damit ausgestattet, wie die Bahngesellschaft SNCB mitteilte.

Zugleich setzt die Polizei die Identifizierung der Toten fort, die sehr schwierig sei und noch den ganzen Dienstag dauern werde. Das kündigte der Gouverneur von Flämisch-Brabant, Lodewijk De Witte, am Montagabend an. Verletzt wurden 95 Menschen, berichtete die Nachrichtenagentur Belga am Abend.

Bild der Verwüstung

In den vollbesetzten Zügen saßen laut Bahngesellschaft SNCB 250 bis 300 Menschen. Etwa die Hälfte habe leichte Blessuren wie Schürfwunden und Prellungen davongetragen. Einige Fahrgäste wurden eingeklemmt und mussten von der Feuerwehr befreit werden. Schneefall und eisige Kälte behinderten die Bergungsarbeiten, die Verletzten mussten zum Schutz gegen die Minusgrade in Wärmedecken gehüllt werden. Der Unfall unterbrach den internationalen Zugverkehr nach Frankreich und England.

Vor Ort bot sich an der Unfallstelle ein Bild der Verwüstung. Bei dem Unfall waren die Züge auf dasselbe Gleis zugerollt und seitlich gegeneinandergeprallt. Die Wucht des Aufpralls schob die beiden ersten Waggons im 45-Grad-Winkel nach oben, darunter verkeilte sich ein weiterer Waggon, mehrere Wagen sprangen aus den Schienen.

Ein Zug überfuhr ein Stoppsignal, der andere hatte Verspätung

Das Unglück ereignete sich am Morgen gegen 8.30 Uhr zwischen den Bahnhöfen Buizingen und Halle am südwestlichen Brüsseler Stadtrand. Ein Zug fuhr von Löwen nach Braine-le-Comte südlich von Brüssel. Der zweite Zug war von der französisch-belgischen Grenze vom Ort Quievrain nach Lüttich unterwegs. Die Regionalbahn aus Löwen habe ein rotes Haltesignal übersehen, teilte Gouverneur De Witte mit. Vermutlich spielte das schlechte Wetter mit dichtem Schneefall eine Rolle. Der Fahrplan sei durcheinandergeraten, da der entgegenkommende Zug zehn Minuten Verspätung hatte.

"Es war wie ein Erdbeben", sagte ein Augenzeuge der Deutschen Presse-Agentur dpa. Ein anderer berichtete, der Zug habe hart gebremst: "Dann hörten wir einen lauten Knall und ich sah einen Waggon an meinem Fenster vorbeischlittern." Die Fahrgäste seien nach vorne geschleudert worden und auf den Boden gefallen. Nach dem Aufprall hätten einige Passagiere ein Fenster eingeschlagen und seien herausgeklettert.

Alle Züge zwischen Brüssel und London abgesagt

Da die Waggons die Gleise zum zentralen Bahnhof Brüssel-Midi blockierten, kam der internationale Zugverkehr nach Frankreich und England zum Erliegen. "Alle Züge zwischen Brüssel und London werden für den ganzen Tag abgesagt", sagte ein Sprecher des Bahnunternehmens Eurostar. Züge aus London mussten in Lille halten. Hochgeschwindigkeitszüge von Brüssel nach Paris mussten umgeleitet werden. Fahrgäste auf dem Weg von Köln nach Paris mussten in Brüssel aussteigen.

Die Feuerwehr brachte die Schwerverletzten in umliegende Krankenhäuser, die Leichtverletzten wurden in einem Sportzentrum in Halle behandelt und psychologisch betreut. Die Behörden richteten ein Krisenzentrum und eine Notrufnummer für Angehörige ein. Das Rote Kreuz rief zum Blutspenden auf. Am Nachmittag wurden der belgische König Albert II. sowie Premierminister Yves Leterme am Unglücksort erwartet.

Belgische Staatsbahn hat schon länger Probleme

Es ist keineswegs das erste Mal, dass die belgische Staatsbahn nach einem Unfall als Ursache menschliches Versagen nennen muss: Schon bei einem schweren Bahnunfall vor neun Jahren bot sich ein ähnliches Bild. Im März 2001 übersah in Pecrot südöstlich von Brüssel der Lokführer eines leeren Zuges ein Stoppsignal. Der Zug passierte hupend mehrere Bahnübergänge, deren Schranken geöffnet waren, und raste als Geisterfahrer auf dem falschen Gleis der zweispurigen Strecke einem vollbesetzten Nahverkehrszug entgegen. Die Bilanz damals: Neun Tote und 12 Verletzte.

Verspätungen und überfüllte Züge sind ebenso an der Tagesordnung wie Pannen und technische Defekte. Kleinere Unfälle passieren häufiger. Die Gewerkschaften werfen der Bahngesellschaft SNCB eine schlechte Ausbildung der Lokführer vor, die zu viele Überstunden leisten müssten.

Der schwere Unfall hat Belgien erschüttert, denn er ist der neue Höhepunkt einer Serie von Unglücken und schlechten Nachrichten in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land. Anfang des Jahres kamen Fahnder einem Serienmörder aus Loksbergen auf die Spur, auf dessen Konto mehrere Sexualmorde aus den 90er Jahren gehen sollen. Dann kündigte der US-Autobauer General Motors die Schließung des Opel-Werkes im belgischen Antwerpen an. Mitte Januar explodierte ein Haus in Lüttich, bei dessen Einsturz 14 Menschen starben. Belgische Medien zitieren am Montag den Premier Yves Leterme mit den Worten: "Erst hatten wir Lüttich, und jetzt das."

dpa