"Liesl Karlstadt und Karl Valentin", Samstag, 13. Februar, 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen
Eigentlich seltsam, dass es so lange gedauert hat, bis endlich ein Film über Karl Valentin gedreht worden ist. Das Leben des Sprachakrobaten mit dem Faible für absurde Komik, dessen Humor auch in den Alltagsabsurditäten Loriots durchschimmert, schreit gerade zu danach, erzählt zu werden. Das ist vor allem der Frau an seiner Seite zu verdanken: Mit der kongenialen, stets unterschätzten Liesl Karlstadt verband Valentin eine lebenslange Liebe, die sich allerdings nur auf der Bühne richtig entfalten konnte, denn der eigenwillige Künstler war verheiratet.
Jo Baier hat vor gut 15 Jahren bereits einen Dokumentarfilm über das berühmte Duo gedreht. Ein Spielfilm schwebte ihm vermutlich schon länger vor, aber er hat sich schlicht nicht getraut: weil er fürchtete, die beiden Komiker seien dank der diversen Filmaufnahmen noch zu präsent. Sieht man Hannah Herzsprung und vor allem Johannes Herrschmann, erweist sich dies als völlig unbegründet: Die beiden machen ihre Sache fabelhaft. Dafür krankt Baiers Film an einem anderen, womöglich viel entscheidenderen Dilemma: Karlstadt und Valentin sind nicht komisch; jedenfalls nicht auf der Bühne.
Schräger Humor
Das liegt keineswegs an den Darstellern; der schräge Humor des schlaksigen Komikers stammt einfach aus einer anderen Zeit. Mitunter erinnern die Darbietungen an amerikanische Sitcoms, die ja stets mit Lachern vom Band unterlegt sind: Das Publikum in den Sälen fällt vor Lachen fast vom Stuhl, aber als Fernsehzuschauer verzieht man keine Miene. Gerade jüngeren Zuschauern dürfte es daher schwer fallen nachzuvollziehen, warum Valentin in Bayern bis heute verehrt wird.
Ganz ausgezeichnet ist Baier und Drehbuchautorin Ruth Toma hingegen die Verzahnung von Kunst und Privatleben gelungen. Karlstadt und Valentin werfen sich auch hinter der Bühne jene absurden Dialoge an den Kopf, die zu ihrem Markenzeichen geworden sind. Die entsprechenden Szenen sind weitaus berührender als die Auftritte, was aber natürlich auch an der Tragik der Beziehung liegt: Liesl Karlstadt hat ihr Herz an Valentin verloren, doch der wird seine Frau nicht verlassen. In ihrem Gram stürzt sie sich in die Isar.
Baier verdeutlicht ihre ganze Zerrissenheit mit einer denkwürdigen Bilderfolge, in der sie in verschiedenen Rollen zu sehen ist.
Die letzte Aufnahme zeigt sie als ältere Frau, ein Moment von so verblüffender Wirkung, dass man fast eine Gänsehaut bekommt: Baier hat die Gelegenheit dieses tiefen biografischen Einschnitts genutzt, um die Darstellerin zu wechseln; Karlstadts zweite Lebenshälfte wird von Bettina Redlich verkörpert, die nahtlos an Herzsprungs Leistung anknüpft. Dritte im Bunde ist Gisela Schneeberger als Valentins Ehefrau. Sehens- und hörenswert ist der Film nicht zuletzt auch dank der Bildgestaltung durch Gunnar Fuß und der Musik von Konstantin Wecker.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).