Ein Schloss am Rhein als Valentinsgeschenk
Sie hängen dicht nebeneinander, in allen Größen, Formen und Farben: Rosafarbene Vorhängeschlösser mit kleinen Herzchen oder bunten Strass-Steinen neben blauen und grünen Schlössern, die einfach mit schwarzem Edding bemalt sind.
12.02.2010
Von Barbara Driessen

Andere tragen elegante Inschriften, die in kursiver Schrift professionell eingraviert wurden. "Bonnie & Clyde" etwa haben sich dort verewigt, aber auch "Wilma & Andreas". Schätzungen zufolge verzieren mittlerweile rund 2.000 Schlösser die Südseite der Kölner Hohenzollernbrücke, sie hängen an einem Gitterzaun zwischen Fußgängerweg und Bahngleisen. Und alle symbolisieren eines: Wir gehören zusammen. Angebracht wurden sie von verliebten Paaren, aber auch von Familien oder Cliquen.

"Wir haben sie alle fotografiert, aber noch nicht genau durchgezählt", sagt Dagmar Hänel, Leiterin der Abteilung Volkskunde beim Rheinischen Amt für Landeskunde in Bonn. Sie ist Expertin für die "Liebesschlösser" auf der Rheinbrücke. "Es stecken lauter kleine Geschichten hinter den Schlössern", schwärmt die promovierte Volkskundlerin. Ein junger Mann habe ihr zum Beispiel erzählt, er habe seiner Freundin ein Schloss in den selbst gebastelten Adventskalender gesteckt. "Und dann sind sie zusammen auf die Brücke und haben das Schloss angebracht", erzählt Hänel.

"Ein Zeichen für die Liebe und gegen den Werteverlust"

Im Jahr 2008 tauchten die ersten Schlösser auf der Brücke auf. "Im Herbst damals brach ein richtiger Hype aus", sagt Hänel. Die Kölner Boulevard-Zeitung "Express" hatte über die Schlösser berichtet, woraufhin der Eigentümer der Brücke, die Deutsche Bahn AG, ankündigte, alle Schlösser entfernen zu lassen. "Das führte zu einem subversiven Protest der Kölner Bevölkerung", erzählt Hänel schmunzelnd. Es hagelte Beschwerden. Die Deutsche Bahn hat inzwischen dazugelernt: "Wir tolerieren die Schlösser und wünschen allen Liebenden alles Gute", sagte ein Düsseldorfer Sprecher dem epd. Auf der anderen Seite der Brücke hingen jetzt auch die ersten Schlösser, und es sei noch viel Platz da.

"Dass das Anbringen der Schlösser so populär ist, liegt daran, dass dies eine so emotional positive Handlung ist", meint Hänel. "Man gibt damit ein Statement ab, setzt ein Zeichen für die Liebe und wehrt sich gegen den Werteverlust in der Gesellschaft." Hinter den Kölner Liebesschlössern steckt eine zweifache Symbolik: Die Brücke verbindet zwei Ufer, so wie die Liebe zwei Menschen verbindet. Und zu jedem Schloss passt nur ein Schlüssel, so wie es für einen verliebten Menschen nur den einen Partner gibt. Den Schlüssel werfen die Paare ins Wasser des Rheins: "Damit er nie wieder auftaucht und nichts und niemand diese Liebe zerstören kann", erläutert Hänel.

"Ich schenk dir heut ein Schloss am Rhein"

Die Menschen, die ihre Liebe auf der Hohenzollernbrücke zum Ausdruck bringen, lassen sich in unterschiedliche Gruppen einteilen, hat die Volkskundlerin beobachtet. Da gibt es die frisch verliebten, jungen Pärchen, oft noch im Teenageralter, die mit Edding den Namen ihres Liebsten oder ihrer Liebsten auf das Schloss kritzeln oder es hübsch mit Strass-Steinchen verzieren. "Ihre Handlung ist etwas paradox", meint Hänel, "denn die erste Liebe hält ja oft nur ein paar Monate." Aber schon diese jungen Leute hätten offensichtlich ein tiefes Bedürfnis nach der Liebe fürs Leben. Zur zweiten Gruppe gehören die sogenannten Familienschlösser, auf denen sich ganze Familien verewigten. "Wenn ein neues Kind dazukommt, kommen sie dann zurück und tragen den Namen des Kindes nach."

Aber auch ganze Gruppen bringen Schlösser an: Touristen, Kegelclubs, Betriebsausflügler oder Jugendcliquen. So haben etwa "Mucky", "Tina", "Rainer", "Kevin" und "Britta" aus Essen ihre fünf identischen Schlösser hinterlassen. Für ältere Menschen ist die Silberne oder Goldene Hochzeit der Anlass, ein Schloss an die Brücke zu schließen. Zu erkennen sind sie in der Regel an ihren Namen, etwa "Wilhelmina & Winfred". Und "Roswitha & Bruno" haben auch den Ort angegeben, an dem sie sich kennen und lieben lernten: "Eisstadion, 5.12.1964".

Am Valentinstag will sich Dagmar Hänel dieses Jahr auf der Hohenzollernbrücke auf die Lauer legen und Paare nach ihren Motiven befragen. "Ich würde furchtbar gern noch mehr Geschichten hören", sagt sie. Gern könne man sie auch anrufen oder ihr schreiben. Die Liebesschlösser haben bereits jetzt Kultstatus und wurden selbst von der Kölner Band "Höhner" in ihrem Song "Schenk mir dein Herz" bedacht: "Ich schenk dir heut ein Schloss am Rhein", heißt es da, "ein eiserner Liebestreueschwur."

epd