Stiftungsrat: Steinbach verzichtet - EKD begrüßt Einigung
Erika Steinbach, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, verzichtet auf einen Sitz im Stiftungsrat für die Vertreibungs-Gedenkstätte. Dafür erhält die Organisation drei weitere Sitze in dem Rat. Die Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr, ist zufrieden mit der Einigung.

Nach monatelangen Querelen haben die Regierungskoalition und Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach ihren Streit über die neue Vertriebenen-Stiftung beigelegt. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) erklärte am Donnerstag in Berlin ihren Verzicht auf eine Mitgliedschaft im Stiftungsrat. Im Gegenzug erhält der BdV in dem Gremium doppelt so viele Sitze. Zudem wird nicht mehr die Bundesregierung, sondern der Bundestag die Mitglieder des Gremiums wählen. Darauf verständigte sich Steinbach mit den Spitzen der Koalitionsfraktionen und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Einigung. Dass künftig der Bundestag die Mitglieder des Stiftungsrates wähle, gewährleiste einerseits die Beachtung außenpolitischer Belange und schaffe andererseits Transparenz. Westerwelle hatte eine Berufung Steinbachs ebenso wie sein Vorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) abgelehnt, weil er eine Beschädigung des deutsch-polnischen Verhältnisses fürchtete.

Charakter des Gremiums verändert sich

Außerdem wurde vereinbart, dass die Fläche der geplante Ausstellungs- und Dokumentationsstätte der Stiftung von 2.200 auf 3.000 Quadratmeter ausgeweitet werden soll. Die Stiftung bleibt jedoch, anders als Steinbach zunächst gefordert hatte, in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums. Neben dem BdV erhalten auch der Bundestag, die Kirchen und der Zentralrat der Juden in Deutschland jeweils doppelt so viele Sitze im Stiftungsrat wie bisher, der dann insgesamt 21 statt 13 Mitglieder haben soll.

Zufrieden zeigte sich auch die Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr, die für die evangelische Kirche selbst Mitglied im Stiftungsrat ist: "Die unwürdige Diskussion um Person und Positionen im Stiftungsrat 'Flucht, Vertreibung, Versöhnung' hat ein Ende und die Stiftung kann endlich ihre Arbeit aufnehmen. Deshalb ist es gut, dass die Substanz des Stiftungskonzeptes nicht angetastet ist. Der Charakter des Gremiums wird sich verändern, aber nicht nur die drei weiteren Vertreter der Vertriebenenverbände, sondern auch drei weitere Vertreter der Religionsgemeinschaften und zwei Bundestagsabgeordnete mehr werden gemeinsam am Tisch sitzen, um dem Gedenken an Flucht und Vertreibung einen würdigen Ort zu verleihen. Die Stiftung bleibt unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums. So steht die Ausstellung immer im Kontexte der Gründe, die zum Unrecht von Vertreibung, Zwangsdeportation und Flucht geführt haben. Wir brauchen einen Erinnerungsort, der von möglichst vielen getragen wird. Das Thema geht alle an, es gehört keinem Verband."

Steinbachs Entscheidung ist endgültig

"Das ist eine gute Lösung und ein qualitativer Zugewinn für die Stiftung", sagte Steinbach. Das Präsidium des BdV habe dem Kompromiss einhellig zugestimmt. Die Vereinbarung muss auch noch von den Koalitionsfraktionen abgesegnet werden. Das Stiftungsgesetz solle so bald wie möglich geändert werden, kündigte die BdV-Chefin an.

Steinbach versicherte, dass ihre Entscheidung, auf einen Sitz zu verzichten, endgültigen Charakter habe. "Ich würde mich definitiv nicht mehr benennen lassen. Das ist für mich eine Ehrensache." Sie betonte, dass es ihrem Verband nicht um mehr Einfluss, sondern um mehr Kompetenz gehe. Die Verbands-Präsidentin zeigt sich zufrieden. Es gebe weder Gewinner, noch Verlierer. Einzig für die Stiftung sei die Lösung ein Gewinn. Mit Blick auf ihre Auseinandersetzung mit Außenminister Westerwelle sagte Steinbach: "Ich möchte gar keinen Triumph haben."

Die Opposition kritisierte den Kompromiss scharf. "Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung sich von Frau Steinbach erpressen lässt", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelica Schwall-Düren, die Mitglied im Stiftungsrat ist. Eine faire und differenzierte Geschichtsbetrachtung sei jetzt gefährdet. Damit rücke der eigentliche Kern des Projekts, der Versöhnungsgedanke, immer weiter in den Hintergrund.

Kritik der Linken

Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luc Jochimsen, bezeichnete den Kompromiss als nicht hinnehmbar. Sechs Vertreter des BdV in einer Bundesstiftung verstießen gegen alle Regeln der Fairness. "Mit dieser Entscheidung hat sich der BdV den Staat zur Beute gemacht", sagte Jochimsen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, warf der Koalition "Geschacher" vor. Die Bundesregierung lasse sich von einem Verband auf der Nase herumtanzen. Die Verdoppelung der Sitze für den BdV sei sachlich durch nichts gerechtfertigt.

Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" soll eine Dokumentationsstätte und eine Ausstellung im Deutschlandhaus in Berlin aufbauen. Darin soll an das Schicksal von Millionen Vertriebenen in Europa und insbesondere an die rund zwölf Millionen deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert werden. SPD und FDP hatten es bislang abgelehnt, dass Steinbach einen der bisher drei Sitze für den BdV im Stiftungsrat einnimmt, weil die CDU-Bundestagsabgeordnete in Polen sehr umstritten ist. Der BdV ließ daraufhin einen Platz frei. Im Januar hatte Steinbach Bedingungen genannt, unter denen sie zu einem Verzicht bereit sei.

epd/fra