Flexible Partnerschaften: Unterschätztes Single-Dasein
Immer wieder verneint der 27-jährige Julius Freitag, wenn er gefragt wird, ob er eine Freundin habe. "Ich bin schon seit sechs Jahren Single", sagt der attraktive Informatiker, "und zwar glücklich damit - wirklich". Er betone dies so, weil er schon oft mitleidige Blicke oder Kommentare erhalten habe - nicht nur rund um den Valentinstag. "Oft ist es auch nur ein Schweigen, ein ganz subtiles Überspielen des vermeidlich heiklen Themas", beschreibt Freitag.
11.02.2010
Von Sarah Salin

Dabei ist er überzeugt, die Vorzüge des Single-Daseins werden unterschätzt. "Nähe bringt auch immer Stress mit sich", sagt Freitag. Es müssten Absprachen getroffen und Rücksichten genommen werden. Ihm fehle nichts: Neben seinem Job bleibe noch viel Zeit zum Computerspiel-Zocken, für Discobesuche, Flirts und seine Freunde.

Studien belegen, dass Singles in der Regel ein größeres soziales Netz haben als Gebundene. Auch treiben sie mehr Sport, lesen mehr Bücher und haben tendenziell ein stärkeres kulturelles Interesse. Ein Grund dafür liegt auf der Hand: Sie haben mehr Freizeit für sich, die sie ohne ihren Partner gestalten können.

Rund elf Millionen Deutsche gelten als Singles

Entgegen manchen Vorurteilen belegt eine Studie der Online-Partnerschaftsagentur Parship: Singles sind nicht grundsätzlich frustriert, sondern sogar optimistischer als Gebundene. So schrieb eine Internet-Userin in einem Frauen-Blog: "Ich genieße das Single-Sein wie nie zuvor in meinem Leben! Nach zwei Jahren Beziehung habe ich nun endlich viel weniger Verpflichtungen, bin zeitlich völlig frei, kann spontan sein und jede Menge Männer kennenlernen."

Im Gegensatz zum Dauersingle Julius Freitag, der statistisch gesehen eine Ausnahme darstellt, passt diese Frau in das klassische Muster: Die meisten Singles bleiben nach dem Ende einer Beziehung meist länger als ein Jahr allein. Dann wollen sie jedoch wieder einen Partner, fand Parship heraus.

Eine Erhebung des Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Innofact zeigt, dass rund elf Millionen Deutsche als Singles gelten. "Tendenz steigend", sagt der Soziologe Oliver Dziemba vom Kelkheimer Zukunftsinstitut. Früher habe man die Ein-Personen-Haushalte als Messgröße zur statistischen Single-Erfassung genommen. "Das sind aber natürlich mehr, als es echte Singles gibt." Denn viele Paare leben heute in getrennten Wohnungen.

"Den Prototyp eines Singles gibt es nicht"

Daher gibt es seit einigen Jahren nun spezielle Studien. Die meisten Singles sind demnach mit 3,6 Millionen in der Gruppe der 18- bis 30-Jährigen zu finden. Nur 69 Prozent der unter 30-Jährigen lebt in einer festen Partnerschaft. Mit zunehmendem Lebensalter sinkt dann der Single-Anteil: Bei den 51- bis 60-Jährigen sind es nur noch 16 Prozent. Bei den über 60-Jährigen steigt der Anteil der Alleinstehenden dann wieder auf knapp 20 Prozent.

Zu finden sind die Alleinlebenden vor allem in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Dort machen Singles knapp ein Drittel der Bevölkerung aus. In ländlicheren Gebieten liegt der Singleanteil zum Teil unter 14 Prozent. Mit einem Anteil von 28,8 Prozent ist München die deutsche Single-Hauptstadt. Es folgen Berlin, Köln, Hamburg. Doch bei aller Statistik: "Den Prototyp eines Singles gibt es nicht", sagt Dziemba.

So differenziert eine Studie seines Kollegen Matthias Horx vom Wiener Zukunftsinstitut verschiedene Single-Typen. Der Informatiker Freitag zählt dabei zu den sogenannten Fun-Singles, zwischen Mitte 20 und Mitte 30. Sie haben sich bewusst gegen eine feste Partnerschaft entschieden, um in der Zeit vor einer möglichen Familiengründung ihre Freiheit intensiv auszunutzen, auch durch viele sexuelle Erfahrungen.

Partnerschaftsmodelle immer flexibler und facettenreicher

Doch viele andere Single-Typen sind auch ungewollt einsam, ihnen fehlt vor allem der Austausch mit einem Partner. Sie sind vielleicht geschieden oder mit einem Kind sitzengelassen worden. "Doch dann ist auch immer wieder ein Neuanfang möglich", sagt Zukunftsforscher Dziemba. Heute gestalteten sich Single- und Partnerschaftsmodelle immer flexibler und facettenreicher: Fernbeziehungen seien normal, wie auch die zweite Ehe oder ein alleinerziehender Vater.

Natürlich gebe es in manchen Köpfen noch Vorurteile, wie 'alle Singles sind Egoisten'. Doch davon solle man sich frei machen. Dziemba meint: "Lieber fünf Mal glücklich geschieden, als ein Mal unglücklich verheiratet."

epd