Kölle Alaaf: Wenn der Karneval nicht nur Spaß macht
"Beim Karneval verstehen die Kölner keinen Spaß", ist sich Wolfgang Overhoff, Verwaltungsleiter des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region sicher. Pfarrer Otmar Baumberger, "gelernter Kölner", wie er sagt, erlebt Karneval anders.
09.02.2010
Von Petra Anna Siebert

"Wenn Menschen Karneval sehr ernsthaft betrachten, finde ich es auch schwierig", gesteht Baumberger, ein bekennender Karnevalsfan. Für ihn bedeutet die "jecke Zeit" aber "zusammen feiern, tanzen, schunkeln, über sich selbst lachen, spotten und manchmal auch weinen". Der gebürtige Bad Kreuznacher mag das bunte Verkleiden, wenn Leute aus ihrer Rolle fallen, von jetzt auf gleich etwas anderes sind.

Das kann Overhoff nicht nachvollziehen. Er beschreibt sich als Mensch mit Humor, aber ohne Sinn für Karneval. "Nach dem Kalender fröhlich zu sein, ist nicht meine Sache. Mich stört der Klamauk, die aufgesetzte Fröhlichkeit und die organisierte Albernheit." Overhoff, geboren in Wuppertal, kam vor acht Jahren aus beruflichen Gründen an den Rhein. "Da habe ich schon gemerkt, dass die Protestanten in Köln anders sind", sagt er schmunzelnd. Inzwischen gebe es auch in Wuppertal einen kleinen Rosenmontagszug. "Aber ich kann auf ein Spektakel, das seinen Ursprung im Katholizismus hat, als Protestant reformierter Prägung gut und gerne verzichten."

Dem widerspricht Baumberger: "Meine evangelisch-protestantische Existenz kann ich gut mit dem Karneval verbinden." Er ist Präsident der Prot's Sitzung, einer Karnevalssitzung protestantischer Christen in Köln, die alle zwei Jahre gefeiert wird. Baumberger freut sich schon auf das kommende Jahr, wenn er wieder die Kanzel mit der Bühne tauscht.

In seiner Gemeinde, der Christuskirche in Köln-Dellbrück, gibt es einen Sessionseröffnungsgottesdienst, diverse Karnevalsfeiern im Gemeindehaus und die Nubbelverbrennung. Leute aus der Gemeinde standen mit einem Nubbel (Strohpuppe, die die Sünden des Karnevals darstellt) vor ihm, erinnert er sich. Zuerst wollte er das nicht machen, "wir sind doch nicht katholisch", aber dann hat er eine zwanglose Nubbelverbrennung eingeführt, bei der alte kölsche Lieder gesungen und eigene Texte vorgetragen werden. Wichtig ist ihm, dass das Presbyterium ihn immer mitgetragen hat. So hat er es auch noch nicht erlebt, dass sich jemand dadurch in seiner Religiösität verletzt fühlt.

Overhoff stört die Niveaulosigkeit, durch die sich für ihn der Karneval auszeichnet. "Nicht selten rutscht der Karneval ins Primitive ab." Dazu kommen die Alkoholexzesse unter Jugendlichen. Das kennt Baumberger. Bis jetzt ist es im Gemeindehaus immer gut gegangen, aber es handele sich auch um ein "soziales Problem". Die Jugendlichen hätten keinen Ort, wo sie hin könnten. Letztlich nutzten "Menschen, die sonst funktionieren, die Grenzenlosigkeit des Karnevals. Aber die brauchen das auch", sagt Baumberger. Im Gemeindehaus gebe es Erwachsene, die die Jugendlichen bei ihrer Art zu feiern so begleiteten, dass auch bei ausgelassener Fröhlichkeit noch Achtung und Respekt erfahrbar seien, betont er.

Und warum feiern Menschen Karneval? "Es hat wahrscheinlich mit dem Bedürfnis vieler zu tun, sich zur Schau zu stellen“, vermutet Overhoff. Baumberger glaubt dagegen, dass "die Menschen Karneval feiern aus einer Sehnsucht nach einer anderen Welt, nach Dingen, die sie lächeln lassen." Er gibt allerdings zu, dass er auch viele humorvolle, fröhliche Menschen kennt, denen Karneval zu viel und zu aufgedreht ist.

Während Overhoff den Karneval "übersteht", in dem er in Winterurlaub fährt, wird Baumberger die "fünfte Jahreszeit" genießen. Was er am Rosenmontag macht, steht noch nicht fest: Vielleicht schaut er sich den Kölner Karnevalszug vor dem Fernseher an. "Abends kann ich dann ja immer noch mal feiern gehen."