Alte Bekannte, junge Talente - Die Berlinale 2010
Zu seinem 60. Geburtstag präsentiert Deutschlands wichtigstes Filmfestival einen Wettbewerb, der seine Bezüge zur Vergangenheit der Festspiele betont. Alten Bekannten kann man in diesem Jahr nicht nur in der Retrospektive begegnen, sondern auch im Rennen um den Goldenen Bären.
09.02.2010
Von Rudolf Worschech

Da sind zum Beispiel "The Ghost Writer" und "Shutter Island", die neuesten Filme von Roman Polanski und Martin Scorsese. Beide sind Berlin-erfahren, liefen doch Polanskis "Ekel" und "Wenn Katelbach kommt" in den 60er Jahren im Wettbewerb, Scorsese zeigte in den vergangenen Jahren "Gangs of New York" und "Shine a Light".

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Und gespannt sein darf man auf beide Werke, nicht nur, weil der eine Regisseur derzeit mit elektronischer Fußfessel in der Schweiz sitzt, sondern auch, weil es Verfilmungen bekannter Romane sind. In "Ghost Writer" (nach dem Buch von Robert Harris) beschwört die Anwesenheit eines britischen Autors (Ewan McGregor) die Schatten der Vergangenheit eines Ex-Premierministers (Pierce Brosnan) herauf. In dem Thriller "Shutter Island" (nach Dennis Lehane) verstrickt sich ein Polizist (Leonardo DiCaprio) in die Suche nach der Patientin eines psychiatrischen Krankenhauses. Beide Filme kommen im zeitlichen Umfeld der Berlinale ins Kino.

Chinesischer Beitrag

Zhang Yimou hat seine Karriere mit seinem Film "Das Rote Kornfeld" 1988 auf der Berlinale begonnen, jetzt stellt er "San qiang pai an jing qi" ("A Woman, a Gun and a Noodle Shop") im Wettbewerb vor, so etwas wie einen an die Coen-Brüder angelehnten humorvollen Film Noir aus dem alten China, in dem ein Imbissbesitzer seine Frau umbringen lassen will. Der zweite chinesische Beitrag, der Eröffnungsfilm "Tuan Yian" ("Apart Together"), stammt von Wang Quan'an, der 2007 mit dem schönen "Tuyas Hochzeit" den Goldenen Bären gewann.

Den hat auch einmal Michael Winterbottom abgeräumt, mit "In This World". In seinem neuesten Film "The Killer Inside Me" mit Casey Affleck und Jessica Alba wird ein psychotischer Texas-Sheriff als Killer entlarvt - was eine gewisse Tendenz des Wettbewerbs zu Krimis und Noirs bekräftigt.

Erfreulich ist, dass in diesem Jahr drei Filme aus Osteuropa kommen - der Blick über den "Eisernen Vorhang" machte jahrzehntelang einen Schwerpunkt und auch einen Teil der Attraktivität der Berliner Filmfestspiele aus. Einen Film etwa aus Russland allerdings hat man in den vergangenen Jahren zumindest im Wettbewerb nicht gesehen.

Kleine Perlen

Jetzt läuft neben dem rumänisch-schwedischen Debüt "Eu cand vrau sa fluier, fluier" ("If I Want to Whistle, I Whistle") von Florin Serban, in dem ein junger Mann eine Psychologiestudentin kidnappt, der russische Film "Kak ya provel etim letom" ("How I Ended this Summer") von Alexej Popogrebskij. Popogrebskij und sein damaliger Co-Regisseur Boris Chlebnikov machten 2004 im Forum mit ihrer poetischen Vater-Sohn-Geschichte "Koktebel" auf sich aufmerksam.

Einen Goldenen Bären gewann vor drei Jahren Jasmila Zbanic mit "Grbavica". Wie dieses Debüt spielt auch ihr neuester Film "Na putu" ("On the Path") in Sarajevo. Im Mittelpunkt steht ein Paar, die Flugbegleiterin Luna und der Lotse Amar. Nach außen scheinen die beiden perfekt zu funktionieren, doch als Amar wegen Trinkerei seinen Job verliert, kommt er in Kontakt mit einer streng moslemischen, wahabitischen Gemeinde. Von dieser Gemeinschaft fühlt er sich mehr und mehr angezogen, doch Luna will ihm nicht folgen.

Kleines Fernsehspiel des ZDF

Entstanden ist "Na putu" mit Mitteln des Kleinen Fernsehspiels des ZDF, das auch Benjamin Heisenbergs "Der Räuber" förderte. Auch die Präsenz des deutschen Films steht unter der magischen Drei - neben Heisenbergs "Räuber" zeigt die Berlinale "Shahada" von Burhan Qurbani und Oskar Roehlers "Jud Süß - Film ohne Gewissen". "Der Räuber" beruht auf einer wahren Begebenheit der österreichischen Kriminalgeschichte und handelt von einem Serienbankräuber und erfolgreichen Marathonläufer, dem seine gute Kondition immer wieder zur Flucht verhalf.

Roehler, der gewiefte Provokateur des deutschen Films (mit seinem vorletzten Film "Elementarteilchen" im Wettbewerb), legt mit seinem neuesten Film nicht etwa ein Remake des antisemitischen Hetzfilms vor, sondern ein wahrscheinlich schräges Biopic über den Hauptdarsteller Ferdinand Marian. Der wird von Tobias Moretti verkörpert, seine Frau Anna von Martina Gedeck und Joseph Goebbels von Moritz Bleibtreu.

Der Abschlussfilm, das Drama "Otouto" ("Bruder") kommt in diesem Jahr von dem fast 80-jährigen japanischen Regisseur Yoji Yamada, der dem Wettbewerb im vergangenen Jahrzehnt seine wunderbare Samurai-Trilogie zugeliefert hat. Die elegische Note, die Yamadas Filme durchzieht, könnte eine schöne Pointe setzen. Damit es im nächsten Jahr wieder frisch losgehen kann.

epd