Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag), dass sie auf deutlich mehr Unterstützung für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern hoffe. Der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, forderte in der "Nordwest-Zeitung", ein bedarfsorientierter Satz für Kinder müsse um 25 bis 30 Prozent höher ausfallen als bisher.
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte der Münchner "Abendzeitung", dass sie einen Auftrag des Gerichts an den Gesetzgeber erwarte, "bei Hartz IV noch mal deutlich nachzubessern." Der Erste Senat unter dem Vorsitz von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier will erstmals auch grundsätzlich Stellung beziehen zum sogenannten Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Damit könnte das Karlsruher Urteil sogar die Sozialreform ganz kippen - und den hoch verschuldeten Staat weitere Milliarden kosten.
Der designierte Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst forderte Sofortmaßnahmen für Betroffene. "Für eine Übergangszeit sollten deshalb die Kindergelderhöhungen seit 2008 nicht mehr auf die Hartz- IV-Leistungen angerechnet werden", teilte er am Montagabend mit. Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte im Deutschlandradio Kultur, Deutschland sei das einzige Land der Welt, das Kinder aus reichen Familien stärker fördere als Kinder aus armen Familien. Er sprach sich für eine allgemeine Grundsicherung für alle Kinder aus.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erwartet vom Bundesverfassungsgericht "keine Schwarz-Weiß-Entscheidung" zu den Hartz-IV-Regelsätzen für Kinder. Sie sagte im ZDF-Morgenmagazin mit Blick auf das Urteil: "Das wird uns Leitplanken und mächtig Hausaufgaben geben". Gerade bei Kindern müsse genau definiert werden, was sie brauchen, sagte von der Leyen. Dabei gehe es nicht nur um Geld, sondern auch um Fragen wie Bildung und Teilhabe. Die Ministerin sagte weiter, sie könne sich auch Sachleistungen vorstellen. Sie nannte als Beispiel Nachhilfe- und Sportunterricht sowie warmes Schulessen.
Urteil mit hoher Bedeutung
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Klagen von drei Familien aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Diese haben das Bundessozialgericht in Kassel und das hessische Sozialgericht in Karlsruhe vorgelegt. Sie halten die derzeitigen Regelsätze für Kinder für verfassungswidrig, weil sie lediglich durch einen pauschalen Abschlag auf die Hartz-IV-Beträge für Erwachsene festgelegt wurden. Bei der Beurteilung steht die Berechnung des Regelsatzes generell auf dem Prüfstand. Daher wird dem Urteil eine hohe Bedeutung beigemessen. Betroffene und Verbände haben bundesweit zahlreiche Aktionen angekündigt, mit denen sie auf die Probleme von Hartz-IV-Empfängern aufmerksam machen wollen.
Unterdessen ist die Zahl der Arbeitnehmer mit zusätzlichem Bezug von Hartz-IV-Leistungen weiter gestiegen, wie die "Frankfurter Rundschau" (Dienstag) unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei. Demnach bezogen im September knapp 1,4 Millionen Berufstätige Hartz IV - ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Stark zugenommen hat vor allem die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger mit Minijobs - nämlich um sieben Prozent auf gut 774.000. Die Gruppe der Leistungsbezieher mit Erwerbseinkommen über 800 Euro im Monat schrumpfte dagegen um 13 Prozent auf 337.000. Von Januar bis September subventionierte der Staat diese Arbeitnehmer mit 8,1 Milliarden Euro.