Katholische Kirche will alle Missbrauchsfälle aufklären
Die katholische Kirche will alle Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester aufklären. Das kündigte der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, am Freitag an. Ende Januar waren sexuelle Übergriffe an einer katholischen Eliteschule, dem Canisius Kolleg, in Berlin und an weiteren Orten bekanntgeworden. Das Berliner Erzbistum denkt nach eigenen Angaben nun über die Einrichtung einer ständigen Kommission nach, die sich mit Missbrauchsvorwürfen befasst.

"Wir können nicht wollen, dass die christliche Botschaft und die Glaubwürdigkeit vieler kirchlich Engagierter wegen der Verfehlung mancher zugrunde gehen", sagte Langendörfer der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Früher sei viel zu oft den Opfern nicht geglaubt worden, räumte der Jesuitenpater ein. Darum gebe es in allen Diözesen dafür Ansprechpartner, an die sich Opfer und Täter wenden könnten. Katholischen Leitlinien zufolge solle den Tätern der freiwillige Gang zum Staatsanwalt nahegelegt werden: "Gute Beichtväter setzen alles daran, dass der Täter sich seiner Verantwortung stellt."

Der Berliner Diözesanbeauftragte für sexuellen Missbrauch, Stefan Dybowski, rechnet unterdessen mit weiteren Missbrauchsopfern. Er riet jedem Opfer, sofort Anzeige zu erstatten. Bei schwerwiegenden Vorwürfen werde die Diözese sofort den Staatsanwalt einschalten, versicherte er. Dybowski forderte ebenfalls, "dass diese Dinge aufgedeckt werden, auch wenn das Image der Kirche dadurch Schaden nimmt." Derzeit wird im Erzbistum auch ein Vorwurf gegen einen Pfarrer in Hohenschönhausen untersucht, der 2001 einen Jugendlichen belästigt haben soll.

Jesuitenpater: "Trauen sie keinem Pfarrer"

Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) warnte unterdessen vor einer Vertuschungsmentalität. "Diese Mentalität ist bedrückend", sagte er "Neuen Presse" in Hannover. Sexueller Missbrauch sei eine Straftat, so der Justizminister mit Blick auf einen Fall in Niedersachen. Bei der Verfolgung der Straftat gebe es "keine Unterschiede für Priester und Ordensleute". Es sei schwer zu verstehen, wenn Vorgesetzte schwiegen. Für die katholische Kirche sehe er eine besondere Schwierigkeit im Zusammenhang mit dem Beichtgeheimnis. Das katholische Bistum Osnabrück rief unterdessen Betroffene auf, sich an entsprechende kirchliche Ansprechpartner zu wenden.

Der Jesuitenpater Friedhelm Mennekes riet Priestern und Eltern, gegenüber kirchlichen Institutionen nicht zu vertrauensselig zu sein. "Wenn ich es mit neuen Eltern zu tun bekam, war einer meiner ersten Sätze: Trauen Sie keinem Pfarrer", sagte der frühere Gemeindepfarrer und langjährige Leiter der Kölner Kunststation St. Peter der "Frankfurter Rundschau". Eine Pädagogik unter Aufsicht sei ihm immer sehr wichtig gewesen, sagte Mennekes: "Die Kirche verdient keine größere Vertrauensseligkeit als andere Institutionen."

Blockiert die katholische Sexualmoral die Aufklärung?

Dem Vatikan und Papst Benedikt XVI. warf der 69-jährige Mennekes eine "Fixierung" auf die Sexualmoral vor. Die oberste kirchliche Hierarchie blockiere letztlich einen offenen und freien Umgang mit Problemen in den eigenen Reihen, sagte Mennekes. Dass es mit dem Zölibat als Verpflichtung für alle Priester so nicht weitergehen könne, sei "völlig klar". Eigentlich sei er nur noch in den Ordensgemeinschaften auf freiwilliger Basis möglich.

Nach Ansicht des katholischen Theologe Hermann Häring wirkt sich die Verbindung von Zölibat und einem autoritären innerkirchlichem System begünstigend auf pädophile Übergriffe aus. "Für potenziell gefährdete Priester gibt es keine Anleitung zum vernünftigen Umgang mit ihrer Sexualität", sagte er im "Kölner Stadt-Anzeiger". Der Sekretär der Bischofskonferenz, Langdörfer, wies dies zurück und sprach von "billigem Populismus". Dies schade einer ernsthaften Aufarbeitung.

In der vergangenen Woche waren am Canisius-Gymnasium in Berlin 20 Fälle von sexuellem Missbrauch aus den 70er und 80er Jahren bekanntgeworden. Darüber hinaus kamen inzwischen auch Missbrauchsfälle in Hamburg, in St. Blasien im Südschwarzwald und im Bistum Hildesheim an die Öffentlichkeit.

epd