"Eine Liebe in St. Petersburg", Donnerstag, 4. Februar, 21.45 Uhr im NDR
Das Grundmuster der Geschichte ist ebenso schlicht wie vorhersehbar: Ärztin reist zu einem Kongress nach St. Petersburg, trifft dort auf einen verbitterten Kollegen, man wirft einander ein paar Bosheiten an den Kopf, und unversehens bricht die Liebe aus. Allerdings täte man dem Film mit dieser Reduzierung bitter Unrecht: "Eine Liebe in St. Petersburg" ist schon allein wegen der herrlichen Dialoge (Buch: Brigitte Blobel) ein Genuss. Und da Regisseur Dennis Satin mit Valerie Niehaus und Martin Feifel ausgezeichnete Darsteller hatte, die die hitzigen Wortgefechte der beiden Hauptfiguren mit viel Temperament und natürlichem Charme vortragen, erreicht der Liebesfilm zwischendurch ein Tempo und einen Witz, der beinahe an die klassischen Screwball-Komödien erinnert.
Mit Valerie Niehaus und Martin Feifel
Auch die Handlung ist jenseits des Grundmusters durchaus komplex. Eigentlich soll sich der begnadete Chirurg Andrej Michailov (Feifel) um seine Kollegin Nora Sanders (Niehaus) aus Berlin kümmern, aber weil er zu einem Notfall muss, setzt er die Anästhesistin in ein Taxi. Prompt wird der Gast aus Deutschland ausgeraubt. Als der ruppige Arzt davon erfährt, ist er angemessen zerknirscht und macht den Fauxpas wieder gut, indem er ihr ganz andere Seiten von St. Petersburg zeigt. Bei einem erneuten Notfall retten die beiden einem kleinen Jungen das Leben. Die anfängliche Antipathie weicht gegenseitiger Wertschätzung, erst recht, als sie gemeinsam Grischa (Rolf Hoppe) besuchen: Noras Großmutter hatte sich 1946 in den russischen Soldaten verliebt, doch dann musste er wieder nach Russland zurück. Auch Nora wäre nicht abgeneigt, Andrejs Avancen nachzugeben, aber sie lebt in Berlin mit einem Software-Entwickler (Florian Fitz) zusammen; und in Andrejs Leben gibt es immer noch Ex-Freundin Jelena (Julia Bremermann), die mit ihm nach Amerika auswandern möchte.
Spiel mit Klischees und Vorurteilen
Natürlich arbeitet die Geschichte auch mit den üblichen Versatzstücken. Bei der Einführung von Noras Freund Eric zum Beispiel ist auf Anhieb klar, dass er nicht der Richtige für sie ist; das Armband, mit dem er sie überrascht, sieht nicht zufällig wie eine Kette aus. Viel hübscher und beiläufiger ist die Entwicklung der Romanze in Russland und dabei vor allem das Spiel mit Klischees und Vorurteilen. Einige Details sind allerdings ärgerlich: Am Tag nach einer blutigen Prügelei hat Andrej nicht mal Schrammen, und wie immer in Filmen dieser Art sprechen alle Russen perfekt deutsch. Außerdem sieht Noras Oma, die Grischa mit 19 kennen gelernt hat hat, für eine Frau von Anfang achtzig noch fantastisch aus. Kein Wunder: Nicole Heesters war bei den Dreharbeiten erst 71.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).