Jugendkirchen: "Das ist Kirche wie ich sie mir vorstelle"
Jugendkirchen gibt es heute in Deutschland schon einige. Aber funktioniert das Konzept auch? Was "geht ab" in einer Jugendkirche? Ein Blick auf ein noch am Anfang stehendes Projekt.
03.02.2010
Von Georg Klein

Seit den frühen Neunzigern entstehen Jugendkirchen in Deutschland, mit steigender Tendenz. Inzwischen sind es bundesweit insgesamt über 130, zu etwa gleichen Teilen katholische, evangelisch landeskirchliche und evangelisch-freikirchliche. Ziel und Zweck war und ist es, Jugendlichen, denen traditionelle Gemeinde und Gottesdienstformen fremd und wenig anziehend erscheinen, Raum zum Selbstgestalten zu bieten. Musik und Aufbau, Art der Angebote und des Gemeinschaftslebens - soviel wie möglich soll von den Jugendlichen selbst kommen. Im Gegensatz zu den Jugendgemeinden sind die Jugendkirchen örtlich gebunden, an ihren Raum, ihre Kirche, in der sich die selbst gestaltete Gemeinschaft etablieren soll.

"Sankt Lux"

Wie sieht das in der Praxis aus? "Lux - Junge Kirche Nürnberg" ist ein vergleichsweise neues Jugendkirchenprojekt, angesiedelt in der dortigen Sankt-Lukas-Gemeinde. 2007 entschloss sich der Gemeindevorstand, das Kirchengebäude der evangelischen Jugend für den Aufbau einer Jugendkirche zur Verfügung zu stellen. Nach einem Architekturwettbewerb wurde das Gebäude umgebaut und im Herbst 2009 fertiggestellt. Ein Café und weitere Räume wurden integriert. Der Kirchenraum erhielt eine komplette Veranstaltungsaustattung mit moderner Licht- und Tontechnik. Die Gemeinde selbst benutzte wieder den alten Kirchensaal im benachbarten Gemeindezentrum und blieb so in Kontakt zu den neuen Entwicklungen.

Das Neue entwickelt sich rasant, findet Tobias Fritsche, Pfarrer und Teamleiter der neuen Jugendkirche. Sie seien sehr überrascht, vor allem erfreut, wie gut das neue Projekt angenommen wird. Seit der Eröffnung im November 2009 laufen die Jugendgottesdienste sehr gut, mit 120 bis150 Teilnehmern. Viele kommen zum Reinschnuppern vorbei, weil sie von Freunden davon gehört haben. Auch die Teams, die die verschiedenen Angebote gestalten und organisieren, seien schon gut besetzt, so Fritsche. "Wir erleben wirklich, dass Leute zu uns kommen, sagen, das ist Kirche, wie ich sie mir vorstelle, und dann bei uns mitmachen wollen."

Erfolge und Aufbauarbeit

Natürlich sei an allen Ecken und Enden noch viel zu tun, erzählt Fritsche. Das Café und die Verwaltungsräume seien zwar fertig und in Betrieb, aber es stünden noch wichtige Überlegungen an. Eine Frage ist beispielsweise, ob und wie man in der Kirche noch einen Ruhe- und Meditationsbereich integrieren könne. Der Kirchenraum an sich, mit Altar, Taufstein, Kanzel und Orgel blieb beim Umbau erhalten und soll es auch weiter bleiben. Auch an diesen Gestaltungsfragen würden die Jugendlichen mitarbeiten.

In der Öffentlichkeitsarbeit ist die Kirche breit aufgestellt. Es gibt einen großen Newsletterverteiler und die gedruckten Programme liegen an Kulturorten und an anderen Treffpunkten aus. In den Stadtmagazinen und Zeitungen werden die Veranstaltungen angekündigt und zur Eröffnung gab es sogar Radio- und Kinospots. Für Pfarrer Fritsche und sein Team ist es wichtig, die Jugendlichen da anzusprechen, wo sie sich treffen. "Wir vermeiden es, ausschließlich in den Gemeinden Werbung zu machen, sondern benutzen die Medien, die sie auch konsumieren."

Kooperationen mit anderen "Szenen"

In den anderen Kirchengemeinden gab es anfänglich durchaus Skepsis und Ängste, dass ihnen die Jugend abgeworben würde. Aber das sei etwas, meint Fritsche, wo sie auch ganz genau hinsehen würden. So wurde eine Erhebung unter den sich aktiv beteiligenden Jugendlichen durchgeführt. Dabei hat sich erwiesen, dass rund zwei Drittel der über 100 jungen Mitarbeiter vorher in keiner anderen Gemeinde tätig waren. Das andere Drittel hat trotz ihrer Beteiligung zum größten Teil nicht aufgehört, ihre eigenen Gemeinden zu besuchen. Fritsche geht davon aus, dass ein Großteil wegen anderer Freunde und wegen der Schulbesuche seines Teams zu ihnen kommt. In Schulstunden wird über Kirche und was sie bedeuten kann - oder soll - diskutiert und jeder, konfessionsunabhängig, wird eingeladen mitzugestalten. Auch Schulgottesdienste, die in "Sankt Lux" stattfinden können, sind auf diese Weise sehr beliebt geworden.

Auch außerhalb des religiösen Zusammenhangs etabliert sich die Jugendkirche über Kooperationen mit der Nürnberger Kultur- und Musikszene. Einige Konzerte fanden bereits statt, und demnächst wird es ein großes Event mit der auch überregional bekannten Band Auletta als Hauptact geben. Sie wären immer wieder überrascht, sagt Fritsche, wie offen auch die Leute aus völlig kirchenfremden Szenen für Kooperationen seien. Sogar Anfragen von Veranstaltern für Vermietungen gäbe es. "Wir überlegen schon, wer eine Bühne bei uns bekommt, aber prinzipiell wollen wir mit dem, was wir tun, auch unsere Offenheit anderen gegenüber ausdrücken."


Georg Klein lebt als freier Autor in Offenbach a.M.